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Der Affenspiegel: satyrisch-politische Wochenschrift — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.48645#0033
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Kine Malade.


Das Auge blitzt, das Antlitz strahlt,
Es war schön weiß und rot gemalt.
Dock.unter ihrer Schminke schrie
Die blasse Haut. Ich kannte sie
Von, Sommer her, von einer Nacht,
Die uns beinahe tollgemacht,
Daß wir in süßem Rasen
Die ganze Welt vergaßen.

Und heut', i»l windig-kalten Wär;.
Fand wieder ich ;u ihrem Her;
Den ausgetreten-breiten Pfad . . .
„Komm, geh' mir mir, der Abend naht,
Die Stunde kommt, wo man vergißt,
So gerne, daß inan sterblich ist . . .
Komm, geh' mit mir, ich wohn' nicht weit,
Die Dämmrung ist der Liebe Zeit . ."

So flüsterte sie hörbar kaum.
Und ich ging mit ihr wie iin Traum.
Ick suhlte ihrer pulse Scklag
Au meinem Arm. es sank der Tag,
Ts wallte sckon der Dämmrung Flor
Ulan an den Hänserreih'n empor.
Im Abendwinde schmolz der Schnee
Und i» mir sang ein stummes Weh:
Das war der alte Schmerzenssang,
Die Klage, herb und herzensbang:
„Du unergründlicker Despot,
Was trittst du lausend Keime tot,
Was gräbst du ewig Grab bei Grab
Und ziehst in Tod und Rot hinab,
Die Herzen, die in Sehnsucht sprüh'n,
Die dürstend nach den: Leben glüh'».
Die Luft bei ihr war schwül und matt,
So sterbesücktig-sinnensatt . . .
Ihr Bett stand bleich im Hintergrund . .
Der Teppich glühte, dunkel-bunt,
Die Sessel gähnten, das Klavier
Stand offen, und gespenstisch schier
Erklangen seine Saiten leis,
Erglänzten seine Tasten weiß.
Ein Warmortischlein stand dabei,
Bedeckt mit buntem Allerlei.
Ein Amor, klein und blaß, aus Gips
Stand dort bei manchem andern Nippes.
Dabei ein Fläschchen patchouli . . .
Die Wohlgerüche liebte sie,
Wan weiß, es blühn auf Grüften
Blumen mit selt'nen Düften.
Und auf dem Divan lag ihr Kleid,
Aus Seide rot, niit Aermeln weit,
Wit Band und Spitzen reich geschmückt,
Doch war es faltig und zerdrückt.
Und duftete so siech und müd,
Wie eine sommerwelke Blüt' . . .
Sie nahm es von dem Divan weg
Und schmiß es lachend in die Eck' . .
Dann zündeten das Licht wir an . . .
Der Ampelschein durchbrach den Bann
Der bleichen Dämmrung. — Rosenlicht
jfloss nun ihr übers Angesicht . . .
Das war ein krankes, schwüles Rot,
Die Farbe, welche küßt der Tod
Auf Wenschenblüten, die er schmückt
Am herrlichsten, eh' er sie knickt . .
Ihr nackter Leib war heiß und weich,
War einer fremden Blume gleich,
Betäubend-duftend, tropisch wild.
Ihr heißer Busen wogt und schwillt,
Und alle Glieder breiten sich.
Die grauen Augen weiten sich . . .
Ich glaubte in ein Weer zu seh'n,
Darin die Sterne untergeh'n.

Ein schaler Witz, ein Zotenlied!
Die Wanduhr tickt, die Ampel glüht
Der Schnaps im Glase schimmert grün . .
Es bohrt der Wurm, die Stunden flieh'n.
Es bäumt sich, wie verzerrt im Krampf
Der blaue Eigarretteudampf
Und auch der Saiten Tönesturm
pocht stets: Pick pick . . der Toienwurm.
Nun liegt die stumme Ewigkeit,
Gehüllt in nachtschwarz-sammtnes Kleid
Schwer auf dem Land. — Es braust und gährt
Von Lauten, die dem Tag verwehrt . . .
Still, still . .- . die dumpfe Nacht schalmait
Das hohe Lied der Ewigkeit.
Und du bflt müd . . Du fragst, warum?
Wein Kind, die Sterne bleiben stumm.
Sind blank geputzt und goldig-rot
Und wissen nichts vom Erdenkst . .
Sie ziehen klingend ihre Bahn
Und wissen nichts von Aual und Wahn . .
Was ist das enge Wenschenleid
Im Sternentanz der Ewigkeit? —
Und ruh'» wir einst am stillen Ort,
Die Sterne wandeln ewig fort,
Im Frühling lacht und grünt die Au,
Im Winter liegt sie öd und grau
Und Wenschenlust und Wenschenschmerz
Ist stets das gleiche allerwärts,
Und sind vermodert wir schon lang,
Die Welt rollt ewig ihren Gang! —
Ja ja! Du gähnst, du bist so matt,
So sterbesüchtig, sinnensatt!
Dein Bett steht bleich im Hintergrund
Leg, dich hinein und schlaf gesund!
Nie wieder sollst erwachen du
Dies ist mein Wunsch! — Nun gute Ruh!
Ade! Schlaf ein! Es thut ja nischt.
Wenn Deine Ampel leis erlisckt! —
lsermami Lßwein.
 
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