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II, 5. Brief des Proklos an die Armenier. *35

der Tod ist, und die unter den Geschaffenen niemand
vernichten kann: (S. 110) (daher) wollte Gott das Wort
diese Leidenschaften vernichten, deren Ende der Tod ist.
Er wollte aber Leib und ein zusammengesetztes Wesen
5 werden, d. h. ein vollständiger Mensch, in allem uns
gleich, aufser der Sünde, da es unmöglich war, dafs jene
unvergängliche, unbezwingliche und unsichtbare Natur
Leidenschaften empfinge. Denn alle Leidenschaften sind
Kämpfe aller zusammengesetzten Wesen; denn bei dieser

10 hohen Natur der Gottheit, die allein über alles erhaben
ist, giebt es keine Zusammensetzung; also kann auch kein
Leiden dahin gelangen, wo es keine Zusammengesetztheit
giebt. Gott das Wort wollte also die Leiden vernichten,
die über die leidensfähige Natur herrschen, wie wir vorher

15 sagten, die, deren Burg der Tod war; und er, Gott das
Wort, wurde mit Bewufstsein Körper von der Jungfrau
und wurde in vollständiger Weise Mensch, während er
Gott war, der über alles ist. Denn nicht verliefs er
das Seine und wurde wie wir, sondern während er Gott

20 war, wurde er Mensch; denn so beliebte es ihm. Er
entäufserte also sich selber freiwillig in Knechtsgestalt,
ward Mensch und litt für uns freiwillig, während seine
Gottheit durch nichts beschränkt war. Und so gab er dem
ganzen Menschengeschlechte das Leben. Darum sagt auch

25 Gabriel, als er die Kraft und Herrschaft dessen, der ge-
boren werden sollte, verkündigt, zur Maria1): „Er wird
sein Volk retten aus ihren Sünden." Das ist aber nicht
das Volk der Menschen, sondern Gottes. Und ein Mensch
kann die Welt nicht von den Sünden erlösen, da auch

30 er mit Mängeln in die Welt eingetreten ist. Aber not-
wendigerweise wird ebenderselbe nicht in Zwei zerteilt, —
keineswegs! — sondern während er Einer ist, zeigt er
dadurch, dafs er von einem Weibe geboren wurde, dafs er
in Wahrheit Mensch sei; dadurch aber, dafs er ohne ehe-

35 liehe Gemeinschaft (geboren wurde) und die Jungfrauschaft

1) Vgl. Matth. 1, 21.
 
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