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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 4.1879

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Drittes Heft
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Körte, Gustav: Bemerkungen zu den antiken Sculpturen aus Boeotien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34746#0301

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ANTIKE SCULPTUHEN AUS DOEOTIEN

269

Der Versuch, auf Grund des gesammelten Materials ein Bild
der antiken Kunstübung in Boeotien zu entwerfen beginnt
naturgemäss mit der Untersuchung der Frage, ob ein eigen-
thümlicher Kunststil in der Landschaft bestanden bat. Wir
betrachten also zunächst die erhaltenen Monumente griechi-
scher Zeit nach der stilistischen Seite hin.
An die Spitze derselben gehört ohne Zweifel der Apollo von
Orchomenos, n. 1. An der noch unhehülfiichen, unsicheren
Formengebung desselben* erkennen wir nicht sowohl die Äus-
serung einer durch lange Uebung gefestigten Schultradition
als vielmehr den tastenden Versuch, ein von aussenher über-
kommenes Schema selbständig wieder zu gehen. Das Werk
zeigt durch die Richtung auf naturwahre und dabei kräftige,
derbe Formengebung eine charakteristische Verschiedenheit
von den stilistisch zunächst verwandten Werken andrer Pro-
venienz. Das führt zu der Annahme, dass der Künstler ein
Einheimischer war, der den fremden Kunsttypus im Ge-
schmacke seiner Heimath zu gestalten versuchte2. Leider kön-
nen wir eine Weiterentwicklung auf dieser Grundlage nicht
nachweisen. Zwar dasselbe Schema der Bewegung nicht nur
sondern auch die eigenthümliche Bildung der Brust als ganz
ebne mit dem Hals in stumpfem Winkel zusammenstossende
Fläche linden wir auch an der Grabstele des Dermys und Ki-
tylos (n. 4) wieder, deren im höchsten Relief gearbeitete Ge-
stalten wohl mit statuarischen Werken zu vergleichen sind.
Im Ganzen aber erscheint dieses Werk eher als ein Rück-
schritt dem Apollo von Orchomenos gegenüber; denn an Stelle
eines wenn auch noch nicht ganz gelungnen Strebens nach
naturwahrer Darstellung des menschlichen Körpers linden
wir hier einen fast gänzlichen Mangel an Proportionen und
an anatomischer Durchbildung, statt eines bestimmten Stil-

* VgU die Bemerkungen am Schluss der Beschreibung Mitth. Iü S. 307.
3 Das einheimische Maieriai begünstigt diese Annahme ohne sie zu beweisen,
wie die ebenfatis in boeotischem Marmor gearbeitete Steie des Naxiers Aixenor
(n. 8) tchrt.
 
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