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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 22.1897

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Heft 1/2
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Schrader, Hans: Die Gigantomachie aus dem Giebel des alten Athenatempels auf der Akropolis
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https://doi.org/10.11588/diglit.38775#0124

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H. SCHRÄDER, GIGANTOMACHIE

H2
Scheidung ab, muss es also auch ungewiss lassen, ob der
prächtige Scnlpturenschmuck der um den alten Athenatempel
gelegten Peristasis als eine Schöpfung des Peisistratos gelten
muss — wol verständlich hei seiner Fürsorge für das Fest der
Göttin—, oder als das erste grosse Werk der jungen Demo-
kratie.
Grosse Werke aufstrebender Kunst weisen über sich hinaus
in die Zukunft. Vor dem Gegner Alhenas fand sich ein be-
deutender moderner Künstler an den ‘ Theseus ’ des Parthe-
nongiebels erinnert. Der Anblick seines rechten Beines, des-
sen kraftvolle Bewegung in so grossen und sicheren Formen
ausgedrückt ist, war es wesentlich, was ihn dabei bestimmte,
wie sich auch mir der gleiche Eindruck am stärksten aufge-
drängt hatte, so lange jenes Bein noch vom Körper getrennt
einzeln betrachtet werden konnte. Der Grund ist leicht einzu-
sehen : der Meister konnte am vollkommensten in den Teilen,
welche er am besten kannte und beherrschte, seine Art die
Natur zu sehen zum Ausdruck bringen. Was er deutlich ge-
wollt aber nur hier und da erreicht hat, ist in den Parthenon-
sculpturen mit voller Herrschaft über die Natur durchgeführt.
Die grosse, monumentale Auffassung, die wir an ihnen be-
wundern, ist kein neues Ideal, sie ist ein altes Erbteil der hei-
mischen Kunst. Das Beste, was sie wollte und konnte, hat diese
in den Giebeln des grossen Burgtempels der Athena geschaffen,
im VI. Jahrhundert am alten Tempel der Peisistratiden, wie
im V. am neuen des Perikies. Wenn wir des gewaltigen Fort-
schritts vom einen zum andern bewundernd inne werden, so
mögen wir auch jener Gemeinsamkeit des künstlerischen In-
teresses gedenken, welche das neue mit dem alten verbindet,
zumal dadurch einem Werke, das wie alle höchsten Kunstlei-
stungen scheinbar voraussetzungslos dasteht, gleichsam die hi-
storische Tiefe gewonnen wird.
Athen, im Oktober 1896.
HANS SCHRÄDER.
 
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