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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 26.1901

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Rubensohn, Otto: Paros, 2, Topographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.41307#0171
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PAROS II

161

schrift verloren gegangen. Erhalten ist aber, was für uns viel
wichtiger ist, die Angabe über die Lage des Heiligtums: σε[μνω]
βήσης έν δαπέδψ. Die Wendung σεμνω εν δαπέδφ scheint bei
den parischen Lokaldichtern beliebt geworden zu sein, seit-
dem sie einmal in der Weihung des Demokydes an Artemis
(s. unten S. 162) zur Anwendung gekommen war. Bei βήση
muss es unentschieden bleiben, ob wir es mit einem Eigenna-
men oder einem Appellativum zu thun haben. Beides ist mög-
lich, auch bei der Annahme, dass der Lundort der Inschrift
einen sicheren Schluss auf die ursprüngliche Aufstellung des
Steines zulässt, d. h. dass wir das Heiligtum der Göttermutter
an der Stelle von Levkes selbst anzusetzen haben. Die Inschrift
ist, wie oben bemerkt, auf allen Seiten abgearbeitet und auf
der Oberfläche abgenutzt. Weder das eine noch das andere
kann ihr an ihrem ursprünglichen Platze widerfahren sein. Der
Stein hat also, wohl in nachantiker Zeit, irgend eine neue
Verwendung gefunden, und wenn er in der That, wie der
Besitzer aussagte, vor kurzem erst ausgegraben ist, so ist er da
gefunden worden, wohin er nach seiner zweiten Benutzung
geraten war. Einen sicheren Anhalt für den ursprünglichen
Standort des Steines ergeben also die Eundumstände nicht.
Trotzdem thun wir aber wohl gut, das durch die Inschrift
bezeugte Heiligtum der Göttermutter in Levkes selbst oder
dessen nächster Umgebung anzusetzen. Die Lage von Levkes
in einer Mulde hoch am Abhang des Ilias-Berges stimmt gut
zu dem Namen βήση : nicht anders liegt Βΰσσαι beim Tempel
des Apollon Epikurios über der Nedaschlucht. Wenn wir βήση
als Appellativum aufzufassen hätten, dürfte die Ansetzung des
Heiligtums in der «Waldschlucht» an der Stätte des heutigen
Levkes als nicht minder geraten erscheinen, da offenbar im
Namen des modernen Ortes Λεύκες («Weisspappeln») sich eine
Erinnerung an das frühere Aussehen der Gegend erhalten hat1.

1 Das Bild einer waldigen Schlucht, dem heutigen Paros so fremd, muss in
früheren Zeiten auf der Insel nicht selten zu finden gewesen sein. Plinius spricht
nat. hist. XVI 26, in von einem Wald auf Paros, und in der Legende von der
heiligen Theoktista, die um 902 spielt, ist des öfteren von dem dichten Wald
auf Paros die Rede (vgl. Baronius Amiales ecclesiastici zu dem Jahre 902).
 
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