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VI

Am Sonnabend, den 12. September, nachmittags,
erhielt ich von Hans von Prott in Kephissia wenige
Zeilen, die Antwort auf meine wiederholte, dringende
Einladung nach Kephissia überzusiedeln. Er schrieb,
er gebe mir ganz recht, aber er könne so rasch nicht
abbrechen, nicht vor Sonntag mittag kommen. Ich
schrieb sofort voll Freude zurück, dass ich ihn zu Tisch
erwarte. Er kam nicht. Kurz nach zwei Uhr tele-
phonierte mir Dr. Hermann Thiersch aus Athen, ich
möge sofort ins Institut kommen. Es sei nötig für Prott.
Als ich um vier Uhr ins Institut kam, fand ich ihn, wie
ihn Thiersch vor zwei Stunden gefunden hatte, leblos
ausgestreckt auf seinem Bette, die Schläfen von einer
Revolverkugel durchbohrt. Die benutzte Waffe und ein
zweiter, vollgeladener Revolver lagen neben ihm — es
war ihm eiserner Ernst gewesen um das Sterben. Zwei
Briefe, einer an Thiersch, einer an mich, lagen auf
dem Tisch. Wir beide waren die einzigen, die um ihn
waren in den letzten Tagen, nach seiner Rückkehr,
aber er hatte uns gemieden, ohne dass wir ahnen
konnten, was er in seiner Einsamkeit sinne. Der Arzt
konnte nur noch feststellen, dass der Schuss sofort
völlige Bewusstlosigkeit herbeigeführt habe. Der Tod
sei schmerzlos etwa um Mitternacht eingetreten. Dass
er nicht gelitten, lasen wir in dem schönen Antlitz,
über dem ein stiller Friede lag.
Der Schuss war nicht beachtet worden, weil die
ganze Nacht hindurch die Freuden - Schüsse lärmen-
der Kundgebungen zur Bürgermeisterwahl nicht aufge-
hört hatten. Erst um Mittag war es aufgefallen, dass
Prott das Zimmer nicht verlassen hatte, und so war
Thiersch gerufen worden.
Die beiden Briefe geben fast gleichlautend an, dass
ihn die Angst, über seinem mythologischen Werke
wahnsinnig zn werden, in den Tod treibe. Sie enthiel-
 
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