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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 35.1910

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Prinz, Hugo: Bemerkungen zur altkretischen Religion, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.29170#0185
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BEMERKUNGEN ZUR ALTKRETISCHEN RELIGION 173

die Isclitar auf Löwen stehend darstellen. Noch weiter charakte-
risiert ist die Göttin in diesen Fällen durch Mohnstengel, wel-
che ihr aus den Schultern herauswachsen b Dass Ischtar der
chetitisch-syrischen Göttermutter verwandt ist, war schon oben
gesagt. Auch sie wird nackt dargestellt1 2, auch bei ihr ist die
nackte Form nicht von der mit dem Löwen zu trennen; vgl. den
Siegelcylinder Collection de Clercq I PI. XXIII Nr. 224, auf
dem sie nackt auf einem Löwen steht. Auf Grund dieser Ana-
logie sind wir berechtigt, auch die kretische Göttin mit den
Mohnstengeln für identisch mit der Göttin der anderen Ty-
pen zu erklären. Es ist schwerlich Zufall, dass die Göttin bei
V 1 die linke Hand unter die Brüste legt. Wahrscheinlich ist
der Mohn ein altes Symbol der Magna Mater, das sich in
Babylonien und auf Kreta gehalten hat, während es im che-
titisch-syrischen Kreise in der Zeit, in welcher wir die Reli-
gion dieses Kreises kennen lernen, schon verloren war3.

Für die im Typus VI aufgezählten Beispiele lässt sich
der Nachweis, dass sie ebenfalls Darstellungen der grossen
Göttermutter sind, nicht mit der gleichen Sicherheit erbrin-
gen. Die erste Gruppe (Nr. 1-4) wird durch den Fels, auf dem
die Göttin bei Nr. 4 sitzt, der öpeia prjrr|Q des Typus IV nahe
gebracht. Da wir oben kennen gelernt haben, dass das Sitzen
auf dem Berge ebenfalls eine Ausdrucksform für das Woh-
nen der Gottheit auf dem Berge ist, so halte ich den Schluss
nicht für unberechtigt, auch in dieser Göttin die Magna Ma-
ter zu erblicken. Dann wäre aber die auf dem Elektron-Ring
aus Mykenai (Nr. 2) dargestellte Scene eine kretische Paral-
lele zu dem Relief von Jasili-Kaja und seinen oben angeführ-
ten chetitisch-syrischen Analogieen.

1 Das Symbol der Gottheit aus den Schultern hervorwachsen zu lassen,
ist eine Eigentümlichkeit der sumerisch-babylonischen Kunst; so wachsen
dem sumerischen Gotte Ningischzida Schlangengreifen, die seine heiligen
Tiere sind, aus der Schulter.

2 S. die Zusammenfassung bei W. Müller, Nacktheit u. Entblössung 47 ff.

3 Man beachte aber die lydischen Münzen der Kaiserzeit, wo neben
einem xoanonartigen Kultbild häufig Mohn und Ähren aufspriessen. Wahr-
scheinlich Kultbild der lydischen Göttermutter, die Attribute können aller-
dings auch auf synkretistische Verschmelzung mit Demeter oder Kore zu-
rückgehen; vgl. hierfür Radet, Cybebe 72 ff.; dort auch Abbildungen.
 
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