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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0184
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158

HANS MÖBIUS

größeren Maßstabes das eine Bein deutlich über dem andern
sichtbar ist; also dieselbe Art und Weise, wie wir sie für die
babylonische Zeichenkunst angenommen haben, ohne daß natür-
lich von einer Verbindung die Rede sein kann (Taf. V 6).
Bisweilen kauern die Klagenden auch auf der Erde, wie es
gewiß dem Brauche entsprach1. Wie eine solche kauernde Figur in
konsequenter geometrischer Perspektive aussah, zeigt sehr deut-
lich eine Prothesiskanne in Dresden2. Auf den meisten Gefäßen
des Dipylonstiles ist das Problem allerdings dadurch umgangen,
daß Knieende3 und auf der Erde kauernde Frauen4 bekleidet
dargestellt werden. Die Sitte wird die Bekleidung ebensowenig
vorgeschrieben haben wie die Nacktheit der Frauen, die un-
mittelbar neben den Kauernden stehen oder auf Stühlen sitzen.
Es handelt sich in beiden Fällen um eine rein ideelle Dar-
stellungsweise.
Von Darstellungen des Volkes bei der Arbeit sind vor
allem die Schiffer häufig, die als Ruderer der großen Galeeren
auftreten5. Ihre Wiedergabe bot dem Künstler der geometrischen
Zeit besondere Schwierigkeiten, da er ihre Beine eigentlich im
Schiffsraum verschwinden lassen mußte. Auf einer Scherbe
von der Akropolis6 ist das in der Tat gewagt, sonst wird das
Schiff der Länge nach aufgeschnitten und gezeigt, wie die
Ruderer auf ihren Bänken sitzen7, oder man hebt einfach
ihre Beine auf das Niveau der Ruderbank und zeichnet sie in

1 Wenn es in der Ilias (T280) bei der Schilderung der Klage um
Patroklos heißt ‘xuß-ioav Seywaixae’, so ist mit Sittl, Gebärden der Griechen
und Römer S. 65 anzunehmen, daß die Frauen auf der Erde saßen.
2 Walter Müller, Nacktheit und Entblößung Taf. V 5. Vgl. die knie-
ende Figur der oben besprochenen athenischen Schale.
3 C.-C. 200 = Arch. Jb. XIV 1899, 201 Abb. 69. C.-C. 199 = Arch.Jb.
XIV 1899, 202 Nr. 23.
4 M. d. I. IX 39,3. P.-Ch. VII 57 Fig. 5. K. i. B. IV 111,5. Der Strich
am Knie der 2. Fig. von links wird wohl vom Ausgleiten des Pinsels
herrühren. Zur Frage der Kauernden vgl. Poulsen, Dipylongräber 123;
Arch.Jb. XXI 1906, 177 ff.
5 Monum. grecs 1882—1884 pl. 4. Köster, Antikes Seewesen, Abb.
18—30.
6 AM. XVII 1892, 298 Fig. 5, 6.
7 JHS. XIX 1899 pl. VIII. Arch. Jb. XV 1900, 92.
 
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