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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 43.1918

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Schweitzer, Bernhard: Untersuchungen zur Chronologie und Geschichte der geometrischen Stile in Griechenland, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.29499#0008
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Bernhard Schweitzer

widrige, dunkle Triebe gehalten hat, nie mehr verleugnet als bei seinem
eisten Auftreten. Sollen wir das glauben? Hier hilft nur eine weitere
Umschau: bestand denn überhaupt eine Möglichkeit dafür, daß sich der
Dipylon- und die verwandten Stile an dem mykenischen entzündeten,
konnte der 'geometrische' Maler im Kerameikos überhaupt noch myke-
nische Schildereien kennen ?
Das XIV. und XI11. Jahrhundert vor Chr. sahen die letzte Blüte
der mykenischen Kunst. Aber schon häuften sich Anzeichen über An-
zeichen, daß der lebhafte Gestaltungsdrang und der sichere künstlerische
Instinkt der vergangenen Jahrhunderte und vor allem der hohen kre-
tischen Kultur allmählich nachließ. Die in glücklicher Erfindung ver-
gangener Zeiten geschaffene Form erstarrte zur Formel, fast schon geome-
trische Schematisierung ergriff die aus organischen Motiven entstandenen
Ornamente, ein überalteter Stil begann sich nur noch auf die Krücken
des Lineals gestützt vorwärts zu bewegen. Daneben wilde Bilder einer
ungezügelten Phantasie und, wo man die Bewältigung neuer Inhalte
versuchte, Erzeugnisse kindlicher Rohheit und naiven Unvermögens. Das
gilt auch noch besonders von dem folgenden, dem XH. Jahrhundert,
dessen friedliche Entwicklung vielleicht durch kriegerischen Umsturz
gehemmt war, das vielleicht neue, barbarische Griechenstämme an Stelle
der alten gesehen hat. Man wußte nichts mehr mit der schier unüber-
sehbaren Menge fein differenzierter Gefäßformen der mykenischen Zeit
anzufangen. Gangbare Lieblingsformen der Mykenäer wie die Bügel-
kanne, die Pseudoamphora mit drei oder vier Henkeln und der mit dieser
verwandte Amphoriskos hielten sich noch mehr oder weniger lange. Aber
aus der uralten heimischen Kykladenkultur, deren Leben die kretisch-
mykenische Herrenschicht nie hat ersticken können, stieg nun eine kleine
Zahl einfacher Gebrauchsformen empor, die zusammen mit Wenigem,
das sich noch aus Mykenischem gerettet hatte, von jetzt an allein den
Markt beherrschte. An die Stelle der feinen Elastizität des mykenischen
Gefäßkörpers trat allmählich die plumpe ledersackartige Kapazität
irdener Tröge, Krüge, Schüsseln, Näpfe. Ebenfalls in Anknüpfung an
primitive monochrome Keramik wurden sie nun fast durchweg vom
Fuß oder Boden bis zur Schulter gefirnist, und diese selbst in öder Folge
mit Dreiecken oder konzentrischen Halbkreisen — nicht mehr mit der
behenden Spirale! — bemalt. Wenn nicht anthropomorphisierende oder
 
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