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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 43.1918

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Schweitzer, Bernhard: Untersuchungen zur Chronologie und Geschichte der geometrischen Stile in Griechenland, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.29499#0009
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Geometrische Stiie in Griecheniand

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geometrisierende Elemente in der Dekoration für unser Auge uner-
wartete Brücken schlagen zurück nach Troja 11 oder nach den Vor-
stufen des Kamaresstils. Wir haben uns gewöhnt, diesen Stil 'proto-
geometrisch' zu nennen.
Nur im Osten des aegaeischen Gebiets verlief auch während der folgen-
den Jahrhunderte die Entwicklung geradlinig. Neue Fortschritte
schuldete man nur den allmählich sich knüpfenden Beziehungen zu den
großen Kulturvölkern Vorderasiens oder dem Import von Westen. Denn
dort erfolgte, wohl nicht unbeeinflußt von größeren ethnischen Ver-
schiebungen, im Laufe des XL Jahrhunderts der endgültige Bruch mit
der Vergangenheit. Der veränderte Aufbau der Gefäße zeigt uns eine
ganz neue Ästhetik, deren reinster Ausdruck die schlanke Amphora mit
bis zur Halsmitte geführten Henkeln ist, ebenso wie die halslose Amphora
oder der Amphoriskos mit Schulterhenkeln, beides Formen, die auf
Mykenisches zurückgehen, Wahrzeichen der östlichen und der Inselstile
bleiben. Aber das war nur ein Vorbote. Das neue Jahrtausend brachte
auf dem Festland eine geometrische Ornamentik, die in ihrer ganzen
Struktur von dem geometrisierten mykenischen und ebenso vom proto-
geometrischen Stil prinzipiell verschieden ist. Hier, im 'frühgeome-
trischen' Stil haben wir für den Westen endlich festen Boden, dürfen wir
den Keim erkennen, aus dem in der Folgezeit der Dipylonstil und die
verwandten lokalen Spielarten herausgewachsen sind. Dies Zerfallen der
ursprünglich so einheitlichen aegaeischenWelt in eine östliche und west-
liche Hälfte war von der größten Bedeutung; denn sie hat die Geschichte
der griechischen Kunst bestimmt, bis im VIII. Jh. vor Chr. dieorienta-
lisierenden Stile aufs neue das Band knüpften zwischen Kleinasien und
dem griechischen Festland.
Einen letzten Lebenshauch der sterbenden mykenischen Kultur
glauben wir so in diesen Jahrhunderten fortwirken zu sehen, in sich
schon die Starre des Todes; alte, unterirdisch schlummernde Kulturformen
des Aegaeischen erheben wiederum ihr Haupt nach dem Dahinsterben des
glänzenderen Bruders und verbinden sich mit jenem; der Kreislauf der
aegaeischen Kunst ist beendet und wartet auf das Neue, dessen Kommen
sich schon lange im Westen angekündigt hat. Und es kam im früh-
geometrischen Stil, und wieder haben zufällige, politisch-geschichtliche
Ereignisse eine anscheinend längst vorgezeichnete, innerlich notwendig
 
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