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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 46.1921

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Müller, Valentin Kurt: Gewandschemata der archaischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.29496#0066
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Valentin Müller

Rundfalten, die die Rundung der Beine, ihr Volumen, die Fülle ihres Flei-
sches markieren. Mau hat den Eindruck: aus der ihn im starren Cylinder
umgebenden Hülle hat sich der Körper hervorgedrängt und zwar durch die
schwellende Fülle seines Volumens, also horizontal, so daß in der Mitte
und an den Seiten das Gewand als senkrechte Linien stehen geblieben
ist und auf den Beinen sich um die hervorquellende Masse des Fleisches
spannt. Anders fiihrt — beträchtlich später — in der festländischen
Kunst die Differenzierung von Stand- und Spielbein, also ein Problem
der Statik und Funktion der Beine, zur Sprengung der starren Gewand-
hüile: Arndt, Glyptothek Ny Carlsberg Taf. 71); die Rundfalten fehlen
hier vollständig; spärlich hat sie dagegen die attische Athenastatuette
Dickins Nr. 140 (Vä/. 1887 Taf. VIII), gehäuft auf beiden Beinen bei

Mittelfaltenbiindel — sicher unter ionischem Einfluß — die Grabstele
von Larissa Brunn-Br. 531 r, nur am Spielbein, während das Standbein
im festländischen Stil von Steilfalten verhüllt wird, die der Amphotto
Jahrb. XXVI, 1011, 59.

Bei den ionischen Beispielen der drei Senkrechten ist die mittelste
meist bedeutend breiter als die seitlichen, bei festländischen z. B. dem
Apollo und der zweiten Frau auf dem Panzer aus Olympia (IV Taf. LIX),
den Poulsen, A. M. XXXI 1906, 388 f. fiir argivische Arbeit hält, sind
umgekehrt die seitlichen stärker als die mittelste. Es wird dadurch der
Eindruck der Pundheit bzw. Eckigkeit der Figur erzielt, welche Eigen-
schaften ich schon eben als den betreffenden Stilen eigentiimüch berührt
habe2).

Bei dem Schema der zwei Senkrechten (§ 6) ist die Stiitze an der
einen Seite fortgefallen, die Figur hat eine größere Labilität und Be-
wegnngsmöglichkeit; noch mehr ist dies der Fall bei nur einer Senkrechten

9 Die Vorstufe zu dem ganzen heraustretenden Bein ist das Durch-
driicken des Knies, also des funktionell wichtigen Gelenkes, durch das Gewand:
Furtwängler, N. Denkm. a. Kunst, Münch. Sitz.-Ber. 1899, 571; Statuette von
Lusoi öster. Jahresh. IV 1901, 34 f.; vgl. A. M. XXX 1905, 70 A. 3.

2) Andererseits ist es verständlich, daß das Schema der drei Senkrechten
mit Rundfalten sowohl nach Osten wandern, iiber Persien noch weiter nach
Asien (vgl. z. B. die Statue aus Tibet im Musee Guimet, Milloue, Guide 122),
als auch ins nordische Mittelalter übergehen konnte: Grabsteine der Äbtissinnen
in Quedlinburg, M. Creutz, Anfänge des monumentalen Stils in Norddeutsch-
land Taf. VI vgl. auch Abb. 37 f., Taf. II—IV; doch hierüber anderswo.
 
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