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Burgtöwen

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Kraft. Nicht insofern sie neue Naturbeobachtungen machen, sondem
so weit sie den alten Geist noch wahren oder das neu entdeckte Leben
noch mit jenem Geist erfüllen können, kann man diese Löwen und Stiere
Tiere einer Urwelt nennen, in einem ähnlichen Sinn, in dem Goethe das
Parthenonpferd das Urpferd genannt hat.

Ich möchte im folgenden zur Entstehungszeit, zur Komposition und
zum Aufstellungsort dieser Gruppen einige Fragen aufwerfen.

I. Ich beginne mit den Resten einer Tierkomposition aus Marmor,
die außer einem mutmaßlichen Löwen noch mindestens zwei Panther
umfaßt: Schrader, Archaische Marmorskulpturen S. 10 ff., Inv. 551 bis
555. Die ftinf Fragmente können sich aber auch auf fünf Tiere verteilen.
Der Herausgeber hat die Tiere treffend mit Elfenbeinschnitzereien des
VII. Jahrhunderts verglichen und auf die flächige, kantige und ornamen-
tale Formgebung hingewiesen, die selbst über die große Poroslöwin an
Einfachheit hinausgeht. Durch ein inzwischen zutage gekommenes großes
Giebelwerk ist nun diesen Panthern ihre Stelle gesichert: durch den
Giebel von Korfu mit seinen auffällig iibereinstimmenden Panthern
(UQaxTixd 1911, 179). Unsere Tiere haben zwar nicht mehr die schnur-
artige Wiedergabe der Adern, die die Panther von Korfu noch mit dem
olympischen Löwen (AM. XXXI 1906, 210) gemeinsam haben, nicht
mehr die brettartigen Ellbogen, nicht mehr die strenge Muskelzeichnung,
sondern sind einen Grad weicher modelliert. Das zwingt, sie etwas später
anzusetzen, erlaubt aber nicht, bis in die Zeit des Tempels mit dem
Typhongiebel und dem Gorgo-Akroter hinunterzugehen. Rund um die
Jahrhundertwende müssen sie entstanden sein.

Einzelvotive waren sie nicht. Aber welchen Bau haben sie verziert,
wie waren sie angebracht? Wie Schrader beobachtet hat, bestehen sie
aus schmalen, rückwärts gerade abgeschnittenen und roh gelassenen
Platten, die mindestens in den unteren Partien gegen eine Rückwand
genagelt waren und mit der Unterfläche auf etwas aufruhten, in das sie
zum Teil eingefalzt waren. Das Auflager kann nicht Stein gewesen sein,
denn das Einschieben der Marmorleiste in einen steinernen Basisfalz
bereitet zu große technische Schwierigkeiten. Die ganze von Schrader
hervorgehobene tischlermäßige Technik weist vielmehr entschieden auf
Holz, und da auch die Rückwand aus anderem Material gewesen sein
muss, liegt es nahe auch für sie Holz anzunehmen. Das schließt eine Ver-
 
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