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Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0013
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11

Marsyas irgend etwas ähnliches auf der entgegengesetzten Seite
entsprach, all das gehört in das Reich der blossen Vermutung;
sicher können wir aus dem, was uns geblieben, nur schliessen, dass
die Composition der Vorderseite weder inhaltlich noch formell sym-
metrisch geordnet war, und wir können ein Erstaunen und Befremden
hierüber nicht unterdrücken. Soweit unsere Kenntnis bisher reichte,
wurden Darstellungen für einen derartigen Zweck immer durchaus
symmetrisch angeordnet. Nun ist aber dies nicht der einzige Punkt,
in dem sich eine gewisse Unsicherheit und Befangenheit in der Aus-
führung unserer Reliefs verrät.

So muss es uns doch auffallen, dass die Musen auf den Neben-
seiten nicht etwa nur teilnahmslos für den Vorgang der Vorderseite
sind, sondern dass dieselben auch unter sich keine lebendigen
Gruppen bilden, denn die einzelnen^Figuren stehen wie Statuen ohne
gegenseitige Beziehung nebeneinander. Wenn anch die Bewegung
der Muse mit der Kithara ihrer Schwester zu gelten scheint — so wird
die Bewegung von M. Mayer, Die Musen des Praxiteles, athen. Mitt.
1892, p. 263 ff., gedeutet —, so ist doch bei dieser keine Spur von
Teilnahme zu entdecken, aus der man schliessen könnte, dass sie der
Aufforderung, die Kithara in Empfang zu nehmen, nachkommen wolle.
Ebenso muss es bedenklich und unbefriedigend erscheinen, dass Apollon
den Figuren der anstossenden Platte vollkommen den Rücken kehrte,
und dass zwischen Apoll und Marsyas die massige Figur des Skythen
in absoluter Teilnahmslosigkeit erscheint, eine allzu schwache Thesis
zwischen zwei bedeutenden Arsen.

An dieser Figur äussert sich nun auch eine merkwürdige technische
Ungeschicklichkeit. Der linke Arm war anfangs mit der Schulter zu
hoch nach oben angelegt gewesen, wie man an dem Originale
deutlich erkennen kann. Bei der Ausführung suchte dann der Künstler
seinen Fehler zu verbessern. Indes gelang es ihm nicht, Arm und
Hand in eine ganz natürliche Lage zu bringen.

Eine andere, leicht zu beobachtende Ungleichheit in der Aus-
führung mag sich eher durch die Stellung der Basis im Tempel erklären:
an den Musen sind die nackten Teile mit viel Feinheit und Empfindung
ausgeführt; auch die Arbeit an den Gewändern der Oberkörper verrät
noch viel Sorgfalt und Anmut; dagegen sind die unteren Teile der
Gewänder nur ganz schematisch angelegt. Dieselben befanden sich
aber an den Seiten der Basis und unten am Boden, wo jede grössere
Feinheit dem Beschauer vollkommen entgehen musste.
 
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