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Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0031
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— 2Q —

In der Person dieser Göttin sind zwei Seiten zu scheiden: einmal
ist sie die zarte, von Sehnsucht nach der Mutter und dem Himmels-
licht bewegte Gattin des finsteren, ewig unbeugsamen Hades, anderer-
seits ist sie die mächtige Herrscherin der Schatten, welche in den
Schrecken der Unterwelt und ihren geheimnisvollem Mysterien waltet.
Beide Seiten kann der Künstler darstellen, und, wie ich in meinen
»Florentiner Antiken«, p. 32 ff., in einer überaus prächtigen königlichen
Gestalt der l'ffizien eine schöne Wiedergabe der Köre als dionoiva
ebenfalls aus praxitelischem Kreise habe nachweisen können (vergl. den
nächsten Abschnitt!), so, glaube ich, hat der Meister selbst in jener
anderen Gestalt die zartere Seite der Göttin darstellen wollen. Dafür
spricht vor allem der wunderbar liebliche Ausdruck des Kopfes, in dessen
Lächeln man wohl eine zarte Schwermuth, ein leises Sehnen zu em-
pfinden meint. Ohne äussere Bewegung erscheint die Göttin, in sich
geschlossen, mit leise geneigtem Haupte, als sänne sie über Ver-
gangenes nach, in einer Kleidung, welche uns oft und bedeutsam auf
griechischen Monumenten begegnet. Ebenso feierlich verhüllt er-
scheinen die Adorantinnen, um vor dem Altar zu beten, so vor allem
die Bräute im Hochzeitsreigen (Wiener Vorlegeblätter 1888, T. VIII,
1, 2, 5, 6.). Ausserdem aber finden wir Persephone selbst in dieser
Verhüllung auf einer Reihe von Sarkophag-Xebenseiten, welche die
Abholung derselben durch Hermes oder ihre Rückführung zum Gatten
darstellen1) immer also in Situationen, wo ihr persönliches Verhältnis
zum Gatten und zur Mutter besonders betont ist.2)

Kaum eine andere der neuen Schöpfungen praxitelischen Geistes
auf dem Gebiete der Gewandbehandlung erregt noch heute ein so all-
gemeines Entzücken wie die eben besprochene, und kaum eine hat
auch im Altertum eine ähnlich nachhaltige Wirkung ausgeübt.3)

') Alle sind besprochen von Overbeck, Kunstmythol. III, ]>. 619 ff., und einige da-
selbst, T. XVII, abgebildet Auf 3 u. 12 erkenne ich mit ihm die Abholung, auf 9b, 13
u. 19b abweichend von ihm die Rückführung; die Bewegung des Herme« und die Haltung
der Knie scheinen eher für das letztere zu sprechen.

l) Die Hercnlanenserin tragt das Himation als Schleier über den Kopf gezogen.
Unter allen anderen mir bekannten Beispielen findet sich dieser Zug nur einmal wieder, und
zwar bei Overbeck, Kunstmythol. III, p. 465, no. iS, abgebildet auf Taf. XIV, 12; dennoch
sind wir berechtig!, diesen Zug auch für das Original in Anspruch ?u nehmen. Man wird
das Himation meistens vom Kopfe fortgelassen haben, da die grösste Zahl der Wiederholungen
zu dem Zwecke gearbeitet war, einen römischen l'orträtkopf zu tragen.

*) Man vergl. die Ausfahrungen Flasch's in Baumeister, Denkm., p. 1104. < >< >. f.
 
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