Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0045
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 43 —

Entstehung des (»riginales nur in letzton Zeiten des Praxiteles vermuten.
Zu dem gleichen Schluss aber gelangt man für die Thespiaden, wenn
man die Geschichte von Thespiä in Betracht zieht. Die Stadt wurde
erst um 340 etwa wieder hergestellt, nachdem sie lange zerstört
gelegen hatte. Die Annahme der Aufstellung einer so umfangreichen
und kostbaren Gruppe in einer zerstörten Stadt, auch wenn wir voraus-
setzen, dass die Tempel verschont blieben, verbietet sich von selbst,
und wir werden also die Entstehung der Thespiaden am wahrschein-
lichsten in das Jahrzent von 340—330 festlegen können.')

Auch eine Äusserlichkeit mag für unsere Annahme sprechen.
Auffallend sind die bei einzelnen Gliedern dieser Gruppe vorhandenen
Schuhe, welche die Füsse deutlich durchschimmern lassen und in
ähnlicher Form und Beschaffenheit nur noch bei den tanagräischen
Terracotten wiederkehren. Gerade diese Schuhe sind uns denn
auch als charakteristische Bestandteile der böotischen, speziell thebani-
schen Frauentracht überliefert. Kekule hat die betreffenden Worte
in seiner Einleitung zu den griechischen Thonfiguren aus Tanagra
(p. 5) angeführt (aus Pseudo-Dikäarch, Müller, Fragm. hist. graec. II,
p. 254 ff.); dort heisst es von den Thebanerinnen: »Ihre Schuhe sind
schlicht und einfach, nicht hoch, von roter Farbe und so angezogen,
dass die Füsse fast wie nackt daraus hervorsehen«. Es ist sehr leicht
möglich, dass Praxiteles sich in diesem Punkte an die im böotischen
Lande übliche und reizvolle Tracht gehalten hat.

Endlich aber ist noch folgende Erwägung von entscheidender
Bedeutung: Ausser den Thespiaden des Praxiteles2) gab es in Rom
der schriftlichen Ueberlieferung nach nur noch zwei andere berühmte
Musengruppen: die des rhodischen Künstlers Philiskos und die aus
Ambräkia entführten Musen im Tempel des Hercules Musarum.

Prüfen wir nun die gesamte monumentale Ueberlieferung, so
finden wir in derselben ausser der vaticanischen ebenfalls nur zwei
weitere Musengruppen, von denen die eine sicher die ambrakischen

') Vgl. Brunn, bayer. Sitzungsberichte 1S80, p. 44S. Deshalb können Aphrodite,
l'hryne und Eros ebenda sehr gut um 30 Jahre früher aufgestellt worden lein, wie es aus
anderen Gründen wahrscheinlich ist Vgl. Furtwängler, Meistens-., p, 545 f. Dies waren
Einzelbilder, die innerhalb des Tempels selber ihren Platz hatten, während die Museiigruppe
von Anfang an im weiteren l'nikrei- eines Ileiligtumes, vielleicht des Theater*, und jedenfalls
im freien gestanden haben im:

') Eine Wiederholung dieser Gruppe waren wahrscheinlich die Thespiaden des Kleo-
menes, Overbeck, Sq. 2226.
 
Annotationen