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Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0063
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— 6i —

erst ganz schüchtern angewendet erscheint.1) Diese beiden Figuren
und mit ihnen den einschenkenden Satyr werden wir in die Zeit vor
der Thätigkeit des Praxiteles in Mantinea, d. h. in die erste Wirksam-
keit des jugendlichen Künstlers in Athen, vor 370, setzen und in
ihnen einige von den Werken erkennen dürfen, mit denen der Jüng-
ling, kaum noch unter der Zucht des Vaters, den eigenen Ruhm
begründete.

Merkwürdig ist nun, dass sich an all den Werken, welche wir
nach dem klein-asiatischen Aufenthalt ansetzen mussten, ein ver-
änderter Geschmack verrät. Begonnen mit der kleinen Herculanen-
serin, weiter die Korestatuette des Yatican (Gal. dei Candel.), auch
die Artemis von Gabii, welche sicher in diese Zeit gehört2), bis zu
den Thespiaden, bei denen der neue Geschmack in der glänzendsten
Ausbildung erscheint, an all diesen Figuren finden wir ein sehr viel
lebhafteres Interesse für die Gewandung an sich, für den Charakter
der verschiedenen Stoffe und die mannigfachen, in reicher Abwechse-
lung aus diesen verschiedenen Charakteren sich ergebenden Motive,
eine grössere Vorliebe für das scheinbar Zufällige als für das merkbar
Beabsichtigte. Hinter diesem Interesse tritt die vorwiegende Rücksicht
auf die plastische Form des Körpers nicht etwa ganz in den Hinter-
grund, aber sie hört auf, die einzige Norm für die Anlage der Ge-
wandung zu bilden. Man kann das jetzt vorwaltende künstlerische
Prinzip nicht etwa ein malerisches nennen, aber bei dem Künstler
dieser Gestalten war der Sinn für die malerischen Reize einer mannig-
faltig geworfenen Draperie erwacht; das fühlen wir von Werk zu
Werk immer stärker.

Zum Beweise nun, dass wir bei unseren Untersuchungen nicht
etwa von der Lebens- und Entwickelunysbahn des Praxiteles abgs-
wichen sind, dient uns das schönsterhaltene Werk des Künstlers, das am
wahrscheinlichsten inmitten dieser Periode entstanden ist3), der Hermes

') ])ie Kigur von 0 O., Abb. 103) i-t trotz der allgemeinen Über-

einstimmung de* Motiv- -ehr viel später und kaum vor der klein-asiatischen Periode des
Klinstiers denkbar. Der Kopf erinnert sehr stark an den der Artemis-Statuette aus Cypern,
ist aber weichet und kleiner im Verhältnis zum Körper.

8) 1 her scheint sie mir nicht die Artemis llnuironia zu sein, wie Studniczka

11. 11 «eisen mochte. VgL <i. Körte. Besprechung von Furtwängler, Meisterw. in der
Berliner philoL Wochenschrift i- :03s.

*) Dieser Ansicht bin ich wegen der grossen Fortschritte in der Darstellung des
Körper- und .!< rormen. der Bewegung und den Proportionen, welche dies Werk

ran den Praxiteles trennen. Die Beobachtung Brunns
 
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