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Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0073
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— 7» —

Oberkörper an der Nike-Balustrade); diese wie die eigenartige Behand-
lung des Gewandes, wie auch der Kopf mit seinen Anklängen an
ältere Formen, aber dem pathetischen Ausdruck — alles findet in den
Resten des Giebels und der Akroterien die besten Parallelen1).

Wenn man dieses annimmt, so würden wir also in Timotheos einen
der letzten Ausläufer jener eigentümlichen Schule vor uns haben,
welche vielleicht von Nordgriechen (Nike des Paionios) gegründet
wurde und sich trotz mannigfacher wechselseitiger Einflüsse selbständig
neben der Schule des Phidias erhielt, und wir würden demnach selbst
noch im vierten Jahrhundert die beiden Schulen in ihren verschiedenen
Wirkungen scheiden können. Geben wir aber dem Timotheos den
West- oder den Ost-Giebel, in beiden Fällen sehen wir den Meister
auf einem Wege, der von dem Ideal des Praxiteles, wie wir es oben
festgelegt haben, weit abführt.2)

Endlich sei noch auf einige Werke verwiesen, welche wir nicht
mit bestimmten Künstlernamen in Verbindung bringen, aber zeitlich
in die Periode des Praxiteles fixieren können und die auf abweichende
Kunstrichtungen weisen. Mit den Basisreliefs von Mantinea hat
Petersen a. a. O. des Stiles und Gegenstandes wegen ein Musenrelief
im Besitz des Marchese Chigi zusammengestellt. Einige Figuren des-
selben erinnern auch stilistisch auffallend an praxitelische Gestalten,
so die Mnemosyne an den Sardanapal, die stehende Muse im Hinter-
gründe links an die Polymnia der Thespiaden. Auch das Gewand
der vor Zeus stehenden Muse und das Gewand des Apollon3) ist ganz
praxitelisch geworfen. Andere dagegen weichen stilistisch stark von
den Prinzipien unseres Künstlers ab, so vor allem die beiden einander
sehr ähnlichen Schwestern, die mit den Flöten, und die Muse, welche
mit übereinander geschlagenen Füssen hinter Hermes steht. Diese
beiden haben vielmehr etwas von skopasischer Unruhe, und auch die
eigentümliche Art, wie das Himation das Untergewand überschneidet,

*) Ich sehe gar keinen Grund, in dieser Figur Nemesis und nicht Leda zu erkennen.
Die grosse Gattin Nemesis hätte niemals so mädchenhaft dargestellt werden können. Nach
dem Auftreten des Euripides ist die Sage von dem Schwane, der bei Leda vor dem Adler
Schutz sucht, als allgemein bekannt vorauszusetzen.

*) Dieser Abschnitt über Timotheos war eben vollendet, als der Aufsatz Winters
>Zu den Skulpturen von Epidauros« in den athenischen Mitteilungen (1884, p. 157, T. VI)
erschien, wo die I.eda ebenfalls für ein Werk des Timotheos erklärt wird. Ich Hess trotzdem
meinen Abschnitt unverändert, da sich im einzelnen Abweichungen von Winters Ansicht finden.
er die richtige Benennung der drei männlichen Gestalten vergl. Furtwfingler,
Meister«., p. 005, Anm. I.
 
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