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Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Hrsg.]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 1) — Leipzig, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22098#0014
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trägt man auch über dein Rock einen Kragen mit Gugel, deren Zipfel lang
über den Rücken herabhängt; übergezogen wird jedoch die Gugel nur von
Boten, Schiffern, Hirten. Selten erscheint der Privatmann im Hut, Fol. 73a
No. 5 (vergl. auch 81b No. 2, 50a No. 1) oder in der Mütze, Fol. 28a No. 3,
oder in der Haube, Fol. 20b No. 6, 29a No. 3, 54a No. 4 (vergl. 50a No. 1),
wie denn überhaupt Kopfbedeckungen in der Regel nur als Schutzwaffen
oder als Abzeichen vorkommen. Daher ist die Haartracht meistens deut-
lich erkennbar: über der Stirn kurzer Schnitt mit leichter Kräuselung, an
den Seiten und am Hinterhaupt bis in den Nacken dichte Locken. Die
Beinkleider sind straff angezogen. Die Füsse stecken meistens in
spitzen und weit ausgeschnittenen oder in jenen gegitterten Schuhen, die
auch im Balduineum und auf den Gemälden aus Karl's IV. Zeit zu Karl-
stein vorkommen. Hirten und Boten tragen Stiefel. Die Schutzwaffen be-
stehen aus dem Dreieckschild, der weitärmeligen Ringbrünne, über der man
ein Waffenhemd trägt, den Lederhandschuhen mit Stulpen, der Beckenhaube,
woran die Kragenhalsberge hängt. Mitunter vervollständigt sich diese
Rüstung noch durch Eisenhosen, z. B. Fol. 60a No. 4, 69a No. 3, 83a No. 1.
Im Zweikampf zu Fuss führt man den runden Faustschild mit weit vor-
springendem Stachel (Qeneal. 340). Die Beckenhaube zeigt halbkugelförmige
Wölbung und deckt Ohr und Hinterhaupt bis zum Nacken. Öfter trägt
man zu Fuss oder Ross über dem Hersenier den Eisenhut, so Fol. 36b,
37b, 49b, 52b, 87a, 91a. Auch der Topfhelm mit und ohne Decke kommt
etliche Male vor, sogar bei Fussstreitern, Fol. 13b, 35b, 49b, 52a, 90b.
Der Speer ist niemals sehr deutlich gezeichnet, das Schwert lang und sehr
breit, mit Blutrinne, abgerundetem Ort, starker Parierstange und kugel-
förmigem Knauf. Die Frauentracht besteht aus dem lang herabwallenden
Rock mit langen und engen Ärmeln. Er wird stets ungegürtet getragen,
ist aber über den Hüften enger geschnitten. Über den Rock werfen Frauen
gewöhnlich einen weiten Schleppmantel, den sie unter einem Arm auf-
nehmen. Einmal, Fol. 10a No. 5, trägt eine Frau eine vorn offene Jacke,
wie wir sie auch in andern Denkmälern des 14. Jahrhunderts sehen ). Die
verheiratete Frau bedeckt den Kopf mit dem Gebände oder mit dem Kopf-
innenansichtcn. tuch, unter dem sie ein Kinntuch, die Rise, trägt. Zu den auffälligsten
Eigenheiten unseres Codex gehört die Zeichnung der Innenräume, auf die
der Illustrator grössere Sorgfalt verwendet hat als auf irgend welche andere
Nebendinge (vergl. Qeneal. 341). Hier legt er seine ganze perspektivische
Kunst an den Tag, wenn er auch Manches, was ihm auf den ersten Anhieb
misslang, unverbessert gelassen hat. Es handelt sich vorzugsweise um
die Konstruktion der Seitenwände, die sich, wenn sie nahe beisammen
stehen, ausnehmen, wie die Wangen eines Baldachinthrones, andernfalls
wie die einer Bude. Sie entstehen dadurch, dass der Querschnitt des Baues
durch die Lichtöffnungen geht. Auf Fol. 61a No. 3 kann man dies be-
sonders deutlich sehen.

Bemalung.

Mit Lasurfarben und Gold sind die Zeichnungen bemalt. Die Farben,
die mit sicherer Pinselführung aufgetragen wurden, sind: Mennige, vielleicht
mit Zinnober gemischt, für Gewänder übrigens erst von der neunten
Bogenlage an gebraucht, brauner und violetter Oker ein dem Saftgrün ähn-
liches Chromgrün, Permanentgrün, Smalte, Sepia, Schwarz. Beim violetten
Oker und bei dem dunkeln Grün lässt der Glanz auf einen Zusatz von
Gummi oder Eiweiss schliessen. Von allen Farben mit Ausnahme von
Schwarz gewann der Illuminator durch Verdünnung verschiedene Töne, so
dass er z. B. Sepia bis zum lichten Gelb, violetten Oker bis zum hellsten
Rosa abschwächte. Oftmals, insbesondere auf den späteren Lagen, wo
auch die Malerei eiliger wurde, haben die Farben vom unsaubern Pinsel
Brechungen erfahren. Dort bleibt die Malerei auch mehr flächig, während
auf den früheren Lagen Modellierungen, meist in den Lokalfarben, auf
Blau aber auch in violettem Oker durchgeführt ist. Seltener und erst auf
den späteren Blättern wie 68b No. 2, 74a No. 4, 79a No. 5 hat der
Illuminator die Schatten der Gewandfalten in schwarz nachgezogen. Während
er die übrigen Teile der Zeichnung gewöhnlich vollständig färbte, Hess er
Hintergründe, Gesichter und Hände regelmässig weiss bis auf kleine rote
Tupfen, welche die Wangen und Lippen charakterisieren sollen und im
Lichtdruck trotz aller orthochromatischer Vorsichtsmassregeln meist zu
dunkel erscheinen. Schüchterne Versuche mit dem Fleischton nackter Leiber
hat er auf Fol. 3b No. 3, 4, 19a No. 3, 34a No. 3 gemacht. Unbemalt
Hess er ferner viele Schilde, sei es nun, dass ihre Bemalung überhaupt
nicht in Aussicht genommen war, oder sei es, dass sie vergessen wurde,
sei es endlich dass sie in Deckfarben erfolgen sollte, wie wahrscheinlich
bei den Schilden der Fahnenlehen Fol. 48a No. 2, wo nur mit der Ver-
goldung begonnen wurde. Weiss blieb stets auch die um das Schwert

3) Welislawbibel, A. Schultz, Deutsches Leben Fig. 256; — Brauttruhe im Berliner
Kunstgewerbemuseum, ebenda Fig. 267; — Brauttruhe aus Langheim im Münchener
Nationalmuseum, (Photogr. v. Teufel No. 3561), letztere dort fälschlich dem 15. Jahrh.
zugeschrieben.

gewickelte Fessel. Die Gewänder sind bei den weiblichen Gestalten immer
einfarbig gegeben, bei den männlichen sehr oft mehrfarbig und zwar bald
durch mi parti, bald durch Horizontalteilung, bald durch Schrägteilung oder
Sparrung in breiten Streifen. Auch geschachte Röcke kommen vor. In
dieser Buntheit haben die Männerkleider unserer Handschrift wieder ihre
Seitenstücke in der Heidelberger Liederhandschrift, im sog. Nagler'schen Bruch-
stück einer Liederhandschrift des 14.Jahrh.'), in der oberdeutschen Armenbibel
des Cgm. 20 (ca. 1350)2) im Nequam-Buch zu Soest (vor 1325), in den Wand-
gemälden zu Wienhausen3) (ca. 1300) und zu Neuhaus (Böhmen, ca. 1325)4),
in den Glasgemälden zu Königsfelden (ca. 1320)5) u. dgl. m. Überaus bunt
bemalt sind die Baulichkeiten, selbst die Burgen, was wir schwerlich bloss
auf Rechnung der Phantasie des Illuminators setzen dürfen. Gold ver-
wendet er nicht nur zu Wappen, Nimben, Kronen, Szeptern, Bischofstäben,
sondern auch zum Herrenschapel, zum Gewand des Königs, zu Metall-
geräten verschiedenster Art, ja sogar für die Keule des Hirten. In den
Bildern trägt er es gewöhnlich matt auf Kreidegrund oder Mennige auf.
Durch diesen Goldauftrag wurde die Vorzeichnung häufig verdeckt, und
der Miniator hat sie dann durch gröbere rote oder schwarze Konturen
ersetzt, die sehr malerisch wirken. Zuweilen hat er die Zeichnung durch
Pinselstriche ergänzt, wie z. B. Fol. 50a No. 3 die Bank, 37b No. 5 die
Spiesse der Reiter, oder verbessert, wie Fol. 78b No. 6 bei den Figuren der
Bauern. Vom Schuhwerk bekommt man den Eindruck, als ob es erst nach
der Illumination alles Übrigen von einer minder geschickten Hand aufge-
malt wäre.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Anweisungen, die der Farben-
Zeichner dem Illuminator zur Wahl der Farben gegeben hat. Sie kommen anwe,su,,ee"-
von der neunten Lage an häufig vor und bestehen in den Anfangsbuch-
staben der lateinischen Farbenbenennungen, welche in die zu bemalenden
Flächen von Gewändern und Schilden eingetragen sind: /' = rubrum, v
— viride, a = album (oder argentum?), g = gilvum, so z. B. Fol. 65b
No. 2, 66a No. 1, 3, 4, 66b No. 1, 2, 67a No. 4, 67b No. 1, 3, 4, 75a
No. 1, 2, 4—6, 76b No. 1, 3—5, 81a No. 1, 4, 5, 81b No. 1—5, 82a
No. 1—5, 82b No. 1—5 u. s. w. über 100 Fundstellen. Sehr oft jedoch
hat der Illuminator diese Anweisungen nicht befolgt, — nicht sowohl wo
er Weiss oder Silber bringen sollte, wovon er jenes auf dem weissen
Malgrund nicht verwenden konnte, dieses vielleicht aus Misstrauen ab-
lehnte; hier half er sich mit einem schmutzigen ins Gelbliche oder Braune
spielenden Grau; — sondern in andern Fällen, wie z. B. 66a No. 1, b No. 2
wo rote Röcke vorgeschrieben, grüne gemalt sind, 72a No. 2, wo ein
Schildfeld rot verlangt, aber gelb gegeben ist, 74a No. 4, wo für die Röcke
der Mittelfiguren drei Farben gefordert waren, aber nur zwei verwendet
wurden, 77 b No. 4, 78a No. 3, wo mehrfarbige Röcke verlangt, aber nur ein-
farbige gemalt sind, 76b No. 5, wo der Adler, der weiss sein sollte, eben-
so wie das Schildfeld rot angestrichen ist. So erklärt sich, dass gelegent-
lich (Fol. 65b No. 2) der Buchstab zur Korrektur über die Farbe hin-
geschrieben wurde.

Unter den zahlreichen Wappen lassen sich einige bestimmen, wie Wappen,
das Reichswappen, die Wappen der Markgrafen und der Burggrafen von
Meissen, der Herren von Colditz Fol. 4b, 57a auch 66a, der Herzoge von
Sachsen und der Mark Landsberg Fol. 48 (unausgeführt), wohl auch das von
Regenstein Fol. 77a No. 3, 74a No. 4, b No. 1, 4, 69a No. 1, 70a No. 3,
76b No. 3, 90b No. 3, 5. Die gekreuzten Gabeln in Fol. 77a No. 4 könnten
den thüringischen Hopfgartten gehören. Aber schon beim Wappen der Colditz
macht sich Ungenauigkeit der Tinktur bemerkbar, da sowohl das obere
als das untere Feld von Gold sind. Bei andern Wappen, die mehrmals
vorkommen, schwanken die Tinkturen, wie z. B. bei dem mit den beiden
Fischen, welches man gewöhnlich für das von Wernigerode erklärt. Bald
stehen weisse Fische in rotem Feld, Fol. 62a No. 2, 73a No. 2, bald
rote Fische im weissen Feld, Fol. 66 a. No. 3. So wechseln auch die
Tinkturen bei einem Wappen, das sich Fol. 76 b No. 3, 4, 77 a No. 3
wiederholt. Diese Ungenauigkeit erschwert die Bestimmung. So bleibt
z. B. fraglich, ob man Fol. 63 a No. 3, 86 b No. 1 in den Rautenschilden
das Mannsfeldische Wappen erblicken soll. Bei andern kommt, namentlich
in Anbetracht der unzuverlässigen Tinktur, auch noch Wappengemeinschaft
in Betracht, wie man denn z. B. bei dem Schild mit dem vordem halben
Adler und der Teilung von rot und weiss hinten, Fol. 63b No. 1 eben-
sogut an die Barbyer wie an die jüngeren Falkensteiner denken könnte.

Um den Zusammenhang zwischen Wort und Bild kenntlich zu machen Bildbuchstaben.

In Lichtdruck bei v. Oechelhaeuser Die Miniataren der Univ.-Bibl. zu Heidel-
berg, II, Taf. 15.

'-) Beispiele in Farbendruck bei A. Schultz Deutsches Leben I, Taf. 3.

3) In Farben reproducirt bei Borrmann Aufnahmen Lief. 1, 4.

4) In Farbendruck her. v. Wocel in den Denkschr. der Wiener Akad. X 1860.
s) Vergl. Schultz a. a. O. Taf. 2.

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