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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0027
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188

herleiten und darum zunächst nur zum Ausdruck heftiger Gemütserregungen geeignet
haben, so ist sie doch schon lange vor 1250 ebenso vieldeutig geworden wie die schlichte
Handerhebung, so daß sie diese nunmehr vertreten konnte.1)

Insoweit ordnet sich der Gebrauch, den die Sachsenspiegel-Illustration
vom Redegestus macht, dem von der alten Kunst Hergebrachten ein. Aber auch
mehr ins Einzelne und zugleich nach andern Eichtungen hin läßt sich dieses verfolgen,
wenn wir bestimmte Klassen von Bildern betrachten. Da werden regelmäßig Personen,
die einer andern gegenüber Grund zur Ehrfurcht oder Unterwürfigkeit haben, wie z. B.
Yassallen und Dienstmannen vor ihrem Herrn, Regierte vor ihrer weltlichen oder kirch-
lichen Obrigkeit mit erhobener Hand dargestellt. Ganz so hat aber, wie oben gelegentlich
bemerkt, schon die frühmittelalterliche Kunst von der altchristlichen die Handerhebung
als Ergebenheitsgestus entliehen.2) Wiederum zeigt sich Nachahmung alter Vorlagen in
einigen Fällen, wo ein Begleitgestus der Rede oder eine Gebärde der Willensbetätigung
gar wohl der Natur des geschilderten Vorgangs entsprechen könnte, teilweise sogar nach
dem, was wir sonst wissen, üblich war. Dies gilt vor allem von dem auf unsern Bildern
dargestellten Gebetsrifcus. Damals, als die Hs. X entstand, gehörte dazu ganz allgemein
das Zusammenlegen, es genügte nicht mehr das bloße Erheben der Hände.3) Kennen
gleichwohl die Sachsenspiegel-Bilder fast nur die letztere Form des Gebetsgestus (vgl.
oben S. 178), so nehmen sie den Standpunkt der älteren Kunst ein.4) Die Figur des

*) Charakteristisch dafür die Beter auf dem Deekel des Eehternacher Evangeliars (985—91) bei
Otte Handb. I 174/175, die Heiligen auf dem Yietor-Reliquiar zu Xanten (11. Jahrh.) bei Ausm Weerth
a. a. 0. I Taf. XVII 4, und auf dem Werdener Relief (12. Jahrh.) ebenda. XXIX 5, die Medaillonbildnisse
an der Hildesheimer Holzdecke (g. 1186), die Apostel auf den Elfenbeinplatten des Münchener National-
museums (g. 1200) Katal. Nr. 174, 176, die Beter in Clru. 17401 bei Janitschek 127 und in der Donau-
eschinger Hs. 309 (c. 1250) in Kunstdenkm. d. Gr. Baden II Taf. VI.

2) S. etwa Otto I. auf dem Elfenbein bei Bode Gesch. d, deut. Plastik 12, Moses, Elias und die
Apostel auf dem Verklärungsbild, die Großen auf dem Widmungsblatt im Aachener Evangeliar (10. Jahrh.)
bei Beissel Taf. X, III, die Sclavinia in Clm. 4453 fol. 23b bei Stacke Deut. Gesch. 1 294/295 u. s. w.,
die Heiligen auf den Elfenbeintafeln im Münchener Nationalmus. Katal. Nr. 159, 161 (10.—12. Jahrh.),
die Engel in Clm. 17405 (a. 1241) fol. 2 b, Maria und Johannes d. T. auf dem Kanzelrelief zu Wechselburg
(c. 1250). Andere Beispiele S. 187 Note 5.

3) Vgl. die Beter auf den Glasgemälden zu Klosterneuburg (1279—1335) bei Camesina I>. alt.
Glasgemälde etc. Taf. XII, XIV 3, XV, XVHI 3, XIX 4, XX 2, in der Wenzelslegende bei "Wocel a. a. 0.
Taf. 30, auf dem Bild bei Bredt Katalog der ma. Miniaturen etc. Taf. V, im Balduineum bei Inner
D. Romfährt etc. Taf. 1, 4, 5, 9, 13, 20, in der Maness. Hs. bei Kraus Taf. 21, ferner auf Grabplatten
um 1300 bei Dorst Grabdenkmäler Taf. 17, Hefner-Alteneck Trachten etc. Taf. 132, 160, 0. Buchner
D. mittelalt. Grabplastik i. Nordthüringen 48. Aus älterer Zeit: Bronzetaufbecken im Dom zu Würzburg
(a. 1279) bei Hefner-Alteneck a.a.O. 134, Clm. 3900 (c. 1250) fol. 2 a, 3b, photogr. v. Teufel Nr. 1237,
1240, Grabfigur der Herzogin Mathilde im Dom zu Braunschweig (c. 1250) bei Essen wein Kulturhistor.
Büderatlas L 2 u. s. o., Wandgemälde z. Soest (c. 1225) bei Lübke D. ma. Kunst in Westfalen, Atlas
Taf. XXIX, Cod. Bamb. E III 25 fol. 32b (c. 1150—1200) bei Hefner-Alteneck a. a. 0. 81, Janitschek
Malerei 130 u. s. o., Psalter v. Huntingfield (c. 1180—90) bei Quaritch Facsimiles VI—X (1892) Nr. 180,
Cod. Lescur. Spirensis (c. 1050), zweites Widmungsbild. — Wegen des jüngere manus ante pectus extensis
et junctis pariter digitis beim Gebet überhaupt s. Augusti Venkivürdigkeiten etc. V 398 und Thalhofer
Handb. d. kaihol. Liturgik I 610, wonach es seit Nikolaus I. nachweisbar. Vgl. jedoch auch Sittl
Gebärden 175 f.

*) Regelmäßig so im Ilortus deliciarum bei Straub pl. LXVII—LXXI, ferner in der Millstädter
Hs. (gegen 1200) fol. 27a, 32b bei Diemer Genesis und Exodus 37, 45, Cod. Pal. 112 bei W. Grimm
 
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