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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0043
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oder seine Grenzen nach verschiedenen deutschen Mutter- und Tochterrechten bei Prozessen
über Grund und Boden von den Parteien vorzunehmen.') Ein weisen, monstrare, ostendere
auf Sachen, die bei einer Exekution gepfändet werden sollten, war nach oberdeutschen
Rechten dem Schuldner vorzubehalten.2) Im Meissenschen war es unter Umständen ein Recht
des Klägers zum Zweck der Exekution auf fahrende Habe oder auf Liegenschaften des
Schuldners zu wisen.3) Beim Grenzbegang durch Kundschaftsleute brachte es schon der
Zweck des Verfahrens mit sich, daß diese auf die Grenzmerkmale zeigten.4) Aber auch
wo es der Sachlage nach entbehrlich gewesen wäre, findet sich doch, daß das Recht ein
bewisen verlangte. Di dube uf im heimsen muß man zu Freiberg, wenn man einen Dieb, dem
man des gestohlene Gut auf den Rücken gebunden, gehörig zu Gericht bringen will. Ein
analoges bewisen verbindet sich dort mit dem Gericht über einen gefangenen Räuber und
mit der Vorführung eines gefangenen Münzfälschers.5) Ssp. II 64 § 1 fordert von der Not-
nunftklägerin, sie solle die not bewisen. Was wir uns darunter vorzustellen haben, lernen
wir aus Bracton De legg. Angl. II 28 § 1: debet. . . injuriam sibi illatam probis Jiominibus
ostendere, sanguinem et vestes suas sanguine ünetas et vestium scissiones. Zuweilen
beschreiben die Quellen die Form dieses beioisens näher, z. B. ob es durch Ausstrecken der
Hand oder durch Deuten mit dem Finger zu geschehen habe. Zeugnisse solchen Inhalts
werden wir mit den bildlichen Darstellungen zu vergleichen haben.

In den Zeichnungen zum Ssp. nun finden sich hinweisende Gebärden mindestens so
oft wie Redegesten. Ihre Menge ist so groß, daß vorzugsweise durch sie der Eindruck
der Unruhe bewirkt wird, den die gesamte Illustration hinterläßt. Sämtliche vorkommende
Einzelanwendungen oder auch nur deren größeren Teil zu nennen, ist hier von vornherein
so unmöglich als unförderlich, selbst nachdem wir diejenigen Figuren, an denen eine hin-
weisende Gebärde nur als begleitende Bewegung neben einem Redegestus sich herausgestellt
hat. ausgeschieden haben (s. oben 180—183, 192).

4. Die weisende Hand. In ihrer Normalform unterscheidet sich diese Gebärde von
den beiden ersten Redegebärden (Nr. 1, 2) lediglich, aber auch wesentlich dadurch, daß
die Hand in einer bestimmten Richtung erhoben wird (Fig. 4a b). Hiedurch ist auch
die Haltung des Armes bestimmt, so daß sich allerdings stärkere Abweichungen von Nr. 1
oder 2 ergeben können, z. B. wenn der Gegenstand, auf den gezeigt wird, sich neben oder
gar hinter der zeigenden Person befindet. Alsdann kann es notwendig werden, daß sie
den Vorderarm mit der zeigenden Hand um ihre Brust oder ihren Unterleib herum legt
(Fig. 4 c) wie z. B. bei verschiedenen Zeugen, die rückwärts (auf einen Mensehen, einen
Vorgang hinter ihnen) deuten in D 64b Nr. 4, 65a Nr. 1, 2, 71b Nr. 1, 91b Nr. 2, 3,
59 a Nr. 4. Schärfer kann sich der Demonstrativgestus der flachen Hand von den Rede-

•) Ssp. Ldr. HI 21 § 2, Lnr. 40 § 2, Vetus Auetor I 99. L. Baiuw. XII 8. Vgl. auch die Formeln
in L. Alam. 81, ferner Du Cange s. vv. ostemio Nr. 2, visus.

2) Baier. Landr. XXIII 293 v. Voltelini Südtirol. Notariats-Imbreviaturen Nr. 742, 940, 948b
<a. 1237). Dazu Voltelini a. a. 0. CCXXXIV (wo es jedoch in Z. 18 ,der Beklagte' statt ,der Kläger'
heißen muß), CCXXXVI.

3) Freiberg. Stadtr. III 1, V 26, 30.

4) G. L. Maurer Gesch. d. altgerm. Gerichtsverfahrens 72. -T. Grimm Rechtsaltertümer* II 75.
Besonders anschaulich Weistümer her. v. J. Grimm III 349—351 (a. 1492). S. auch die 205 N. 1 zitierte
foeneventanische Urkunde.

5) Freiberg. Stadtr. XIX 1, 9, XXI, VII 1.
 
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