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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0077
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238

der Erzählung, wie bestimmte Güter an den Grafen Siboto von Falkenstein von seinem
Vatersbruder Wolfker aus gelangt seien: Haec traditio facta est in manns Gehehardi comiÜs
supranominati fideliter sibi [= ei] servanda et suis filiis vel delegare, quo ipse
petierit, et si comes Siboto vita excesserit, filiis suis servanda. Graf Gebhard hat
demnach die Güter zu treuer Hand und mit Auflagen übernommen. Am Rande des Testes
stehen nun einander gegenüber Wolfker und Gebhard (dieser kenntlich an der Lilie auf
seiner Mütze), und während jener sich anschickt, mit der Rechten die linke Hand Gebhards
zu fassen, hat er mit der Linken eine Falte des Mantelzipfels ergriffen, der seinem Kontra-
henten über die rechte Schulter herabhängt, und zwar so, daß das Mantelende sackartig
aufgenommen wird. Die Analogie zu denjenigen Ssp.-Bilder, wo der ,Wettende' allein
seinen Mantel- oder Rockzipfel aufnimmt, insbesondere zu jenem, wo sein Kontrahent den
hingehaltenen Mantelzipfel ergreift (oben 236), liegt am Tage. Und doch handelt es sich
hier um keine Zahlung, sondern um ein Versprechen. Subjektive Symbolik von der Art,
wie sie die Ssp.-Illustratoren treiben, liegt dem Randzeichner des Codex Falkensteinensis
fern. Wir müssen daher annehmen, daß das Ergreifen eines Gewandstückes des
Promittenten durch den Promissar1) wirklich einmal der Rechtssymbolik angehört
habe. Zur Erklärung dient das Wort wetten (vadiare), das bekanntlich von Haus aus
.versetzen (zu Pfand)' und dann erst überhaupt versichern, zusichern' bedeutete. Wenn
man ursprünglich .wettete', indem man ein Gewand vom eigenen Leibe versetzte und so
haftbar machte, so konnte man in einem abgeleiteten Sinne ,wetten', nämlich sich selbst
haftbar machen, indem man den Versatz des Gewandes nur noch ,darstellte',
einen Zipfel hinhielt und vom Vertragsgegner ergreifen ließ, — gerade so wie man den
nämlichen Erfolg durch Überreichen oder Hinwerfen eines Handschuhs bewirken konnte.
Dieses sowie die weite Verbreitung des Wettens mit dem Gewandzipfel findet seinen
Beweis in französischen Urkunden, die von einem vadiare rectum cum cornu cappae suae
und von einem emendare cum supertunicali suo plicato in manu (a. 1313)a) erzählen. Das
emendare in diesem Zusammenhang ist ein Gelöbnis der Buße; denn es heißt weiter: et
obtulit se paratum ad emendam faciendam etc. Ein Seitenstück zu diesem Wetten mit
dem Mantelzipfel ist es, wenn einer mit dem Zipfel seiner Gugel wettet: anteriorem partem
sui capucü dicto episcopo tradens praemissa emendavit (a. 1354).3) In Deutschland erhaschen
wir das symbolische Wetten mit dem Mantel oder Rockschoß kurz vor seinem Untergang
in den Bildern zum Ssp. Der Zeichner von X "kannte noch den Hergang und führte ihn
da vor, wo er das Wetten für ein Zusichern nahm. Aber verstanden hat er ihn nicht

Besehreibung durchaus unzuverlässig. Die auf die falsche Beschreibung gebaute Erklärung (.Investitur')
bei Pfeffel konnte nur verkehrt ausfallen. Ebenso die von J. C. H. Dreyer bei Spangenberg Beitr.
z. Kunde der deut. Hecktsalterth. 50.

1) Nicht hieher gehört das Aufheben und Schütteln des Rockgeren als Verzichtsymbol, J. Grimm
Rechtsalterth.*- I 217 f., Weisthümer II 533, 535, 703, — nicht das exekutivische Angreifen am Geren,
Grimm liechtsalterth.* I 218, — auch nicht das Aufnehmen des Rockgeren mit der linken Hand beim
friesischen boedeleed, — nicht das salfränk. lesewerpire oder die westnord. skeyting. die ostnord. skötning,
— und ebensowenig endlich die Klosterpantoinime für excitare (ante pectus manu tenere vestes has movenäo)
bei Leibnitz Opera ed. DutensVi2 p. 208.

2) Bei Du Cange s. v. Vadium (G-athagiare), Plicare. Vielleicht erklärt sieb, aus diesem plicare
auch der Ausdruck gages ploie a. a. 0. s. v. Vadium plicare.

3) A. a. 0. s. v. Gaputium.
 
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