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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0079
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Zeichnungen im wesentlichen zu den Tast-, nicht zu den Greifgesten.') Dieses kann
nicht etwa auf Unbeholfenheit der Zeichner beruhen. Daß sie eine greifende Hand wieder-
zugeben vermochten, wenn sie wollten, beweisen, außer der vorhin zitierten Stelle, die
Bilder mit eigentlichen Greifgebärden wie Nr. 15, 26, 28, 29, 30. Die technischen Aus-
drücke literarischer Quellen des sächsischen Rechtskreises — in mamis alhcujus spondere
(promittere, votum facere), dexteram dare in manum alicujus, hanttasünge, manutacfois,*) —
nötigen auch keineswegs, bei der Handreichung an eine greifende Hand zu denken, um
so weniger als die Verkümmerung des Ritus zum Handschlag schon sehr frühzeitig
begonnen hat. — Die linke Hand kann, soweit sie der Künstler nicht anderweitig beschäftigt,
der Erhebung der rechten mäßig folgen oder auch den Befehlsgestus (oben Nr. 6) aus-
führen. Gewöhnlich stehen die Kontrahenten einander gegenüber. Dem König jedoch
als Empfänger der Hulde gebührt das Sitzen, und einmal sitzt auch der Empfänger eines
andern Gelöbnisses. Knieen sollte stets der Richter, wenn er dem König huldigt. Sitzen
in 0 82 b Nr. 5 die Beiden nebeneinander, so trägt wahrscheinlich ein Mißverständnis der
Vorlage die Schuld daran.

So wie in den Ssp.-Hss., insbesondere mit erhobenen Händen und sich überschneidenden
Handflächen, begibt sich die Handreichung auch auf andern Bildern, die teils der gleichen
teils einer früheren Zeit, aber nicht dem gleichen Rechtsgebiet angehören, z. B. in. Cgm. 51
(Tristan) fol. 82 a, wo sich Marke mit Isot unter Handreichung versöhnt,3) oder in der
Heidelberger Liederhs. C. Pal. germ. 848 fol. 178a,4) wo sich Beringer von Horheim und
seine Dame Treue geloben, oder im Huntingfield-Psalter (c. 1180 — 90), wo Judas den
Verrat gegen Jesus verabredet,5) in der Milstäter Genesis (c. 1200) fol. 33b, wo Esau an
Jakob sein Erbrecht verkauft, und fol. 50a, wo sich die Beiden aussöhnen (bei J. Diemer
I 47, 72), in einer Londoner Bibel (14. Jahrh.) bei Louandre Les arts sompt. I pl. 138,
wo Herodes der Salome zu geben verheißt, was sie fordern wird. Daneben finden sich
auch abweichende Darstellungen, wie auf einem Verlöbnisbild der Füssener Hs. des Hohen
Liedes (12. Jahrh.),6) den beiden Huldigungsbildern des Cgm. 63 (Wilhelm c. 1300) fol. 24b
oben, 27 b unten, ferner in Clm. 835 (c. 1250, England, Phot. Teufel Nr. 2354, Judas
Verrat), in Clm. 14022 (Digesten, 14. Jahrh. französ.) vor L. II De jurisdicüone, V De
judiciis.1) Hier werden die Hände nicht immer so hoch erhoben, während sie sich stets
umschließen.8) Dabei laufen aber TJngenauigkeiten mit unter. An der ersten der beiden

1) Indem sie dieses nicht würdigen, verkennen Grupen Teut. Alterthümer 59 und nach ihm
Homeyer Anm. zu Ssp. III 85 § 1, 86 § 2 und Puntschart Schuldvertrag 358 Note 3, 359 Note 4 die
Handreichung in den Bildern von D (W) zu den beiden zitierten Textatellen.

2) Dieser Ausdruck a. 1403 zu Soest Zepemiek Sammlung etc. II 338.

3) Photogr. Teufel Pl.-Nr. 1371. Vgl. auch den Abschied Tristans von Rual fol. 37b (Photogr.
Pl.-Nr. 1308).

*) Bei Kraus Taf. 55. Wegen der Erklärung des Bildes s. v. Oechelhäuser Miniaturen II 200.

5) Quaritch Facsimiles Nr. 179.

6) Bei Baumann Geschichte des Allgäu I 200.

7) Auch die Berliner Beaumanoir-Hs. Hamilton 193 enthält Beispiele auf fol. 61 {zu chap. XVII
Übertragung der Vormundschaft), 87 (chap. XXII Gesellschaft), 140 (chap. XLI Schiedsvertrag), 192 {chap. LX
Friedensgelöbnis).

8) So auch auf einer Miniatur des Hamburg. Stadtrechts v. 1497 bei Lappenberg Taf. 6 (Bürg-
schaft?) und einer illuminierten Zeichnung in C. pal. germ. 152 fol. 233 a.
 
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