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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0086
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durch manus injicere in aliquem [vel in ejus bona], arrestum durch manus injectio,
arrestator durch qui ex jure manum in aliquem injicit wieder. Antasten scheint man
in Deutschland dafür gesagt zu haben im Gegensatz zu dem gewaltsameren aufluzlten,
und vaken.1) Eine Arrestation von anderer Art ist es, die in H 14 a Kr. 1 (Taf. SV 7),
vielleicht auch D 38 a Nr. 1 der Bürge des Gefangenen vornimmt. Während er mit der
Linken gelobt, den Gefangenen vor Gericht zu bringen, legt er die Rechte diesem, den
eben der Kläger fortführen will, auf die Schulter: er nimmt ihn für sich in Beschlag.
Aus sich dürfte der Künstler diesen juristischen Gedanken schwerlich haben.

Die Illustratoren verwenden aber das gleiche Motiv auch in Fällen, wo man von
einem Bestätigen in freundlichem Sinne (confinnare)2) sprechen konnte. So der
Zeichner von D42b Nr. 1. Er arbeitete seine Vorlage3) u. A. dahin um, daß er den
zunächst vor dem Richter stehenden Mann, den er für den Kläger hielt, seine rechte Hand
auf die linke Schulter seines Vordermannes legen ließ, weil er diesen für den klägerischen
Vorsprecher ansah. Daß die Prozeßpartei ihrem Vorsprecher die Hand auf die Schulter
legte, wenn sie an sein "Wort .jehte', d. h. es bestätigte, beweisen andere, von D unab-
hängige Darstellungen.4) Sie kennzeichnete so das Botenverhältnis, worin der Vorsprecher
zu ihr stand.5) Hiernach haben wir wohl auch die Aktion der linken Hand bei der
Prozeßpartei in 0 32 b Nr. 2 auszulegen (bei Landr. I 62 § 11): hinter ihrem Vorsprecher
steht sie vor Gericht; zum Zeichen, daß sie nicht selbst sprechen darf, weil sie einen
Vorsprecher hat, hält sie sieh die rechte Hand vor den Mund; zu dem andern Zeichen,
daß sie an ihres Vorsprechers Wort jeht', faßt sie ihn mit der linken Hand an der rechten
Schulter. Daß sich die Tastgebärde hier zur Greifgebärde gesteigert hat, darf wohl als
eine unwesentliche Variante betrachtet werden. In D 18 b Nr. 3 ist der umgekehrte Fall
eingetreten, die linke Hand der Partei nur noch schwach nach dem Vorsprecher hin
erhoben. — Eine bestätigende Handauflage begegnet ferner bei der Installation des Fron-
boten in 0 80a Nr. 2 (zu Landr. III 56 §1 Gegensinn): der Fronbote, auf den seine
Wähler, die Schöffen, zeigen, hat sich auf seinen Stuhl gegenüber dem des Richters
gesetzt, und, während dieser ihm den Frieden wirkt, legt ihm der vorderste der Schöffen
von hinten her die linke Hand auf die rechte Schulter. Vermutlich hat der Illustrator
auch mit diesem Zug sowie mit dem Gebärdemotiv des Richters die Beschreibung des
Zeremoniells, die der Text liefert, nach der Wirklichkeit ergänzt. Denn um bloß die
Schöffen als Wähler zu kennzeichnen, hätte der hinweisende Gestus genügt. Anders ver-
hält es sich hingegen, wenn in H 2 a Nr. 2 (Taf. II 2) die drei geistlichen Wahlfürsten
dem knieenden König, der vom sitzenden Papste das Weihwasser empfängt, die rechte

1) Haltaus Gloss. s. v. Verkauften. — Das Handauflegen als Form des Real-Arrestes beiFruin
De oudste Hechten der Stad Dordrecht II 315, — als Form der Aneignung ebenda 314.

2) Auflegen der Hand auf die Schulter eines Andern als Zeichen des Schutzes im JSortus deliciarum
bei Straub pl. XXX quart, in der Maness. Liederhs. fol. 422a (Kraus Taf. 139); — als Zeichen eheherr-
licher oder elterlicher Beziehungen Garrucci Storia dell' arte crist. tav. 198, 4, Kraus Geschichte der
Christi. Kunst I 167.

3) Sie ergibt sich aus der Übereinstimmung von H 18 b Nr. 1 (Taf. XX 6) mit 0 74 a Nr, 2.

4) Lappenberg D. Miniaturen zu d. Hamburg. Stadtr. v. 1497 Taf. 15. Reüigenberger Hs. ü. d.
Egg (oben S. 194 N. 4). Titelholzschnitt der bair. Gerichts-Ordnung v. 1520.

5) Über eine antike Analogie Sittl Gebärden 292 Note 6.

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