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Amira, Karl von
Die Grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm — München, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.14785#0024
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6. Abhandlung: Karl v. Amira

,Sieh, liebeiv froive, ivaz dort stet,
daz ist benamen der minne chint.1
Er sprach: ,ir froiven, die hie sint,
schoivet dort iene persone
und habt etv daz ze lone:
welcher muet siner minne gert
daz in die minne dez gewert1 usw.

Der hier vorgetragenen Hypothese gegenüber würde es
nichts verschlagen, wenn wir sie nicht noch weiter zu Ver-
mutungen über den Inhalt der einst auf der Vorderseite un-
seres Bruchstückes befindlichen Kompositionen ausbauen können.
Es muß uns gegenwärtig genügen, daß ihre Reste ebenso wie
die der Rückseite ihre Zugehörigkeit zu einer Willehalm-Dich-
tung sicherstellen. Damit erweist sich aber die „große" Bil-
derhs. als noch größer im Vergleich zu der von mir vor
14 Jahren rekonstruierten. Wie das erste Werk in ihrer Art,
so ist sie auch das umfangreichste geblieben.

Bei der hohen kunst- und kulturgeschichtlichen Bedeutung
eines solchen Werkes liegt sehr viel daran, seine Entstehungs-
zeit wenigstens annähernd festzustellen. In dieser Hinsicht
mag vorweg bemerkt werden, daß die Meininger Funde nichts
ergeben haben, was gegen die seinerzeit von mir angenommene
Zeitgrenze sprechen könnte. Wohl aber machen wir neue
Wahrnehmungen, die wir zu ihren Gunsten verwerten dürfen.
Ich denke da vor allem an die Zeichnung der Figuren, an
denen man die ersten schwachen Ansätze zu jener geschwun-
genen Körperhaltung bemerkt, die sonst auf Bildern und an
plastischen Werken aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
noch zu fehlen pflegt, gegen Ende desselben Jahrhunderts mehr
und mehr bevorzugt wird. Dazu stimmt auch das Kostüm, das
sich jetzt sicherer beurteilen läßt. Am Frauenrock haben die
weiten und lang herabhängenden Armelausgänge, die noch in
der Berliner Eneidt-Hs. (1210—1220) und im Psalter des Land-
grafen Hermann (1211 —1217) die vornehme Frau charakte-
 
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