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gen Gruppenkompositionen in der Loggia dei Lanzi. Es handelt sich um
eine in römischen Kopien überlieferte hellenistische Statuengruppe, die
an Ruhm der Laokoon-Gruppe kaum nachsteht. Wie Homer es in der
Ilias beschreibt, steht Menelaos wild umherblickend da und hat den
Leichnam des Achilleus-Freundes Patroklos, dessen Kopf und Arme
leblos herabhängen, über das gebeugte linke Bein emporgehoben, um
ihn über die Schulter zu legen und aus der Schlacht zu tragen.

Zwei Merkwürdigkeiten zeigte allerdings die immer noch fragmenta-
rische Rekonstruktion dieser Gruppe in Sperlonga. Der Körper des Me-
nelaos war auffällig klein im Vergleich zu dem gewaltigen Kopf und dem
Schildarm. Auch wirkte er auf den ersten Blick in Bewegung und Klei-
dung ganz anders als bei den bisher bekannten Repliken.

Die zweite Merkwürdigkeit war die, daß der linke Fuß des Patroklos '
in eigenartiger Weise mit nachschleifender Ferse am Boden lag, so als sei
die Achillesferse zerschnitten. Vorerst registrierten wir diese Merkwür-
digkeiten nur, von denen die eine sich als Fehler der Rekonstruktion, die
andere als ein wichtiges Indiz für die ikonologische Interpretation der
Plastik erweisen sollte.

Wir gingen neugierig, ja atemlos staunend weiter. Im zweiten Saal
war ein Schiffsheck zu sehen, an das sich ein nach vorne niedergestürzter
Schiffer mit verzweifeltem Gesichtsausdruck anklammert. Der linke
Arm umschlingt die hochgebogenen Spanten des Hinterstevens, wäh-
rend der rechte haltsuchend nach oben gestreckt ist. Dahinter waren auf
einem mit drapierten Tüchern als Schiffsrumpf angedeuteten Podest in
bunter Mischung Fragmente von in die Luft peitschenden Fischschwän-
zen angeordnet, in deren Windungen Menschenleiber hängen, die auf
die grausamste Weise von löwenköpfigen Hunden angefallen werden.
Diese schlagen den Unglücklichen die Reißzähne und Pranken ins
Fleisch, beißen sie in Köpfe, Schultern und Schenkel. Die Arme der
Menschen, in rasendem Schmerz hochgeworfen, greifen ins Leere, eine
Figur fliegt durch die Luft, vielleicht ursprünglich von der riesigen Hand,
die auf einem besonderen Podest lag, bei den Haaren ergriffen.

Es mußte sich, wie auch die Beischriften bestätigten, um eine riesige
Skylla-Gruppe handeln, deren Fragmente hier zusammenhanglos, aber
expressiv von durchaus empfindsamer Hand angeordnet waren. Auch in
ihrem fragmentarischen Zustand verfehlte die ungeheuer grausame und
erschreckende Darstellung ihre Wirkung auf den Betrachter nicht. Aber
selbst dem ungeübten Auge konnte nicht entgehen, daß diese Anord-
nung der Teile die ursprüngliche, ungemein kühne und komplexe Grup-
penkomposition vollkommen verfehlte. Was hier in die Länge auseihan-
dergezogen war, mußte konzentriert, dicht um den Unterkörper der

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