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rius nach dem Unfall von Sperlonga in Sejan setzte. Dieser Unfall wurde
ja nur deshalb der Überlieferung für wert befunden, weil er die Begrün-
dung dafür abgibt, wieso der Kaiser Veranlassung hatte, auf die Freund-
schaft und aufrichtige Ergebenheit Sejans noch fester zu bauen. Er ver-
traute ihm so blind, daß Sejan in den Jahren seiner Statthalterschaft nach
dem Unfall von Sperlonga seine Macht immer weiter ausbauen konnte
und die Versuchung in ihm reifte, selbst nach der Kaiserwürde zu grei-
fen. Das Mißtrauen des Tiberius gegen seine Verwandten ausnutzend,
gelang es ihm, fast alle Familienmitglieder des Tiberius, die als Thron-
prädendenten in Frage kamen, zu beseitigen. Da öffnete seine Schwäge-
rin Antonia, die Tochter Marc Antons, dem Kaiser im letzten Moment
die Augen. Tiberius konnte es aus Furcht vor einem Umsturz nicht wa-
gen, Sejan offen anzugreifen. Nur durch ein äußerst listenreiches Vorge-
hen, bei dem Odysseus sein Ratgeber hätte sein können, vermochte er,
Sejan zu vernichten.

Er ließ ihm durch einen neuen Vertrauten mitteilen, er wolle ihm die
tribunizische Gewalt verleihen und lockte ihn so in den Senat, wo ein
entsprechendes Schreiben des Kaisers verlesen werden sollte. Das
Schreiben war so lang und am Anfang so zweideutig, daß Sejan in Si-
cherheit gewiegt wurde und man Zeit hatte, inzwischen das Kommando
über die Prätorianer und über seine besondere Leibwache zu überneh-
men. Erst gegen Ende des Briefes kamen dann die Vorwürfe heraus, die
zur sofortigen Verurteilung und zur Hinrichtung Sejans führten.

Diese Entwicklung hatte mit dem Unfall in Sperlonga die entschei-
dende Wendung bekommen. Nachdem man nun den Ort, wo sich der
Unfall zutrug, durch die Ausgrabungen und die daran anschließende
wissenschaftliche Erforschung soviel besser kennt, bekommt der Bericht
darüber einen besonderen Hinweischarakter. Obgleich es bisher nicht
möglich ist, stringent zu beweisen, daß Tiberius der Auftraggeber der
Odyssee in Marmor von Sperlonga war, fügen sich doch alle Indizien zu
einer Kette zusammen, aus der man nicht mehr ein einzelnes Glied her-
ausbrechen kann.

Das Ausstattungsprogramm der Höhle ist einheitlich. In einer von
mythischen Erinnerungen an Odysseus durchtränkten Gegend, in
Sichtweite des Monte Circeo, des sagenhaften Eilands der Kirke, Aiaia,
von wo Odysseus zur Heimfahrt aufbrach und, die Irrefelsen meidend,
zwischen Skylla und Charybdis hindurchsegelte, war eine Höhle zum
Schauplatz der gefährlichsten Abenteuer und der größten Heldentaten
gemacht worden, die Odysseus zu bestehen hatte. Links am Eingang der
Höhle ist die Form eines Schiffes aus dem Felsen gehauen. Da der Felsen
dahinter von einer großen Höhlung durchbrochen ist, durch welche das

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