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Rechten einen nackten Knaben von 46 cm Höhe tragen. In der Hand
sieht man die beiden Füßchen. Der Knabe hat den einen über den ande-
ren gestellt, stützt den linken Arm auf die Hüfte, lehnt sich mit dem er-
hobenen rechten Arm an die Brust der Frau und blickt zu ihrem gerade-
aus gewandten Gesicht empor.

Der Kopf des Knaben war mit einem Eisendübel angesetzt. Dieser ist
durch Oxydation im Meerwasser gequollen und hat das Köpfchen ge-
sprengt. Das Gesicht ist verloren, aber zwei Fragmente des Hinterkopfs
wurden gefunden. Sie geben die Wendung des Kopfes an, der ganz glatt
gearbeitet war, also gewiß Haare aus anderem Material getragen hat. Da
keine Spur davon erhalten ist, möchte man annehmen, daß die Haare
ebenso wie die Zutaten, die in den vierkantigen Stiftlöchern auf den bei-
den Schultern über den Schlüsselbeinen des Figürchens steckten, aus
Goldblech bestanden, das spurlos entfernt werden konnte.

Was auf den Schultern des Knaben befestigt war, könnte man nur
vermuten, wenn nicht ein im Motiv völlig übereinstimmendes Knäblein
bekannt wäre, das sich in gleicher Weise an die Brust einer weiblichen
gewandeten Terrakottastatuette259 lehnt. Diese Terrakottastatuette soll
aus Pästum stammen und gelangte mit der Sammlung Bartholdy in die
Staatlichen Museen zu Berlin, wo sie leider im letzten Krieg verloren
ging. Nur eine Zeichnung aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhun-
derts existiert, die eindeutig erkennen läßt, daß das Knäblein zwei große,
tief herabhängende Flügel trug.

Soweit man nach der Zeichnung beurteilen kann, stammt die Terra-
kotte dieser eng in ihren Mantel gehüllten Frau aus dem späten vierten
Jahrhundert v. Chr. Sie gibt einen ganz anderen Typus wieder als die
Gewandstatue der Antonia Minor. Das Knäblein aber folgt dem glei-
chen Vorbild wie das Figürchen auf ihrer Hand. Ob dieses schon ur-
sprünglich mit dem Typus der klassischen Gewandstatue verbunden
war, der für die Bildnisstatue der Antonia Minor als Venus Genetrix ge-
wählt wurde, ist gänzlich ungewiß. Sicher ist nur, daß das Knäblein, des-
sen Motiv wegen der lockeren, tordierten Haltung und den schlanken
Proportionen eher dem 4. Jahrhundert angehören dürfte, nicht für die
Statue in Baiae erfunden wurde, sondern einen geprägten Typus wieder-
gibt, auf den auch die Pästaner Terrakotte zurückgeht. Seine Benennung
kann nicht zweifelhaft sein. Es ist der Liebesgott Eros oder Amor als Be-
gleiter der Liebesgöttin, in deren Gestalt die Kaiserinmutter Antonia
hier auftritt.

Antonia Augusta stand in bedeutsamer Weise mit allen in diesem
Buch hervorgehobenen Persönlichkeiten in Beziehung. Es ist, als ob in
ihrer Person alle einzelnen Fäden der Untersuchung zusammenliefen.

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