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der Stimmigkeit des Berichtes in der Historia Augusta zweifeln könnte,
wäre nicht im Canopustal schon bei den Grabungen des 17. Jahrhun-
derts eine solche Fülle ägyptischer und ägyptisierender Skulpturen ge-
funden worden, daß man das ganze Ägyptische Museum im Kapitols-
palast290 zu Rom damit füllen konnte. Ein zumindest ideeller Zusam-
menhang mit Ägypten muß also bestehen. Die eigentlichen Vorbilder
für diese große, erst in den Jahren 1953—1956 ausgegrabene Anlage
aber sind jene Nymphäumstriklinien in den Kaiservillen von Sperlonga,
Baiae und Castel Gandolfo, die durch die Skulpturendekoration zum
Schauplatz der gefährlichsten Abenteuer des Odysseus wurden.

Wie anders das Canopustal beim ersten Anblick auch wirken mag, so
sehr zeigt eine genauere Betrachtung, daß die eigentümliche Anlage
zweifellos eine Weiterentwicklung der genannten Vorläufer darstellt. Im
Canopustal ist eine natürliche, langgestreckte Senke in eine künstliche,
bildhafte Welt verwandelt worden. Auf der Talsohle legte man ein
121,40 m langes und 18,60 m breites Wasserbecken an, erbaute am süd-
lichen geraden Ende eine an die Hangmulde gelehnte riesige Apsis und
faßte den nördlichen halbrunden Beckenrand mit einer luftigen Säulen-
architektur ein, die an den Langseiten in eine Pergola übergeht. Im Zen-
trum der Westseite ist die Pergola durch eine Fassadenanlage überhöht,
die von vier Koren, Kopien der Erechtheion-Karyatiden, und zwei flan-
kierenden Silenen gebildet wird.

Nähert man sich dem Tal von Norden, so baut sich hinter dem Säulen-
zaun mit seinen abwechselnd geraden und gebogenen Gebälkstücken
und jenseits des langgestreckten Sees als Hintergrund die weite mit einer
Schirmkuppel überdachte Apsidenarchitektur des sogenannten Sera-
päums auf. Man sieht Statuen von klassischer Schönheit in den Säulen-
zwischenräumen und auf Postamenten am Beckenrand stehen und auf
den Wasserspiegel schauen. Geht man dann am Ufer des kanalartigen
Sees entlang, so erlebt man, wie die gewaltige Nischenanlage mit ihren
das Tal abschließenden Flügeln sich höher und höher aufbaut und zum
Ziel des Weges wird.

Hier findet man in der großen Apside ein im Halbkreis aufgemauer-
tes Speisesofa für zahlreiche Teilnehmer an einem Gelage halb im Frei-
en, doch gegen die Sonne geschützt und von Wasserschleiern gekühlt,
die über Treppchen aus den Nischen an der Wand herabfließen und sich
in konzentrischen Kanälen zu Füßen der Tafelnden sammeln. Im Hin-
tergrund führt in der Mitte der Apsis eine hohe Öffnung in einen ton-
nengewölbten Raum, an dessen Ende ein Wasserfall von der hier
offenen Höhe herabrauscht. Aus der Apsis geht der Blick, durch die
Längsausdehnung axial gerichtet, in die Kunstwelt des Canopustales.

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