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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0012
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Bernard Andreae

Die Folge dieser Krise war eine tiefgreifende Umschichtung der Gesellschaft, in
der über die auseinanderstrebenden Laufbahnen des Militärs und der Verwaltung,
die sich in dem Gegensatzpaar der viri militares und der viri docti ausdrückt, Tüch-
tige aus den Unterschichten zu den höchsten Stellungen, ja bis zum Kaisertum
emporsteigen konnten23. Das klassische Bildungsideal genügte dieser Gesellschaft
nicht mehr, und so sieht man, wie im 3. Jahrhundert besonders die erzählenden
mythologischen Themen aus der Bildwelt der Sarkophage verdrängt und entweder
durch Mythen von allgemeiner symbolischer Bedeutung wie Seewesen, Musen,
dionysische Themen ersetzt, oder die mythische Amazonenschlacht in reales
Schlachtgeschehen verwandelt werden24.

Im Zuge dieser Entmythisierung werden auch die mythologischen Jagden in
symbolische Jagden mit Anklängen an die Erlebniswelt der Tierhatzen bei den
immer beliebteren Circusspielen umgewandelt25.

Auf dem Sarkophag eines Circusmatadors (Taf. 16)26 sieht man den ersten Schritt
dieser Umwandlung vollzogen. An die Stelle des Hippolytos, der den Liebesbrief
Phaedras zurückweist, ist ein Venator in der üblichen Berufskleidung getreten. Er
hat dabei die Haltung des von Venus begrüßten Adonis27 angenommen, steht aber
nicht vor der Liebesgöttin, wie jener, sondern vor seiner eigenen berufsgemäßen
Schutzgöttin Diana, welche die Porträtzüge seiner Frau erhalten hat. Dieser Szene,
in der der Mythos aufgebrochen und sein symbolischer Gehalt freigesetzt worden
ist, ist auf der rechten Seite die Jagd auf den Eber gegenübergestellt, wobei der Jäger
in heroischer Nacktheit, das heißt in die mythische Welt entrückt, dargestellt ist.
An dieser Nahtstelle der Darstellungsweisen durchdringen sich reale, aus der
Berufswelt genommene Bilder mit mythischen Vorbildern in verschiedenen Gra-
dationen. In der gleichen Sarkophagwerkstatt wird nur wenig später ein durch sein
Porträt in die Zeit um 230 n. Chr. datierter Sarkophag in Barcelona28 geschaffen
(Taf. 17), der fast die gleiche Figurenabfolge bietet, aber dem vor Diana stehenden
Jäger die zeitgenössische Kleidung eines vornehmen Römers gibt mit Tunika,
Trabea und Fellstiefeln, den sogenannten Mullei29 *. Auch der Jagdherr zu Pferde ist

23 G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte (19792) 130 ff. besonders 146.

24 Vgl. B. Andreae, Sarkophagforschung nach Rodenwaldt, ANRWII 12,2 (1981) 3 ff.

25 ASRI2, 17ff.

26 ASRI2, Kat. 164 Taf. 1,1. - Koch-Sichtermann, HdArch 152 Abb. 80. - Mit großer Entschiedenheit
muß die Ansicht von Koch zurückgewiesen werden, das Sagum in der Rechten des Venators sei nach-
träglich aus einem Gewand wie demjenigen auf einem Fragment in Rom, Nationalmuseum 1044
(ASRIII2, 179 Inst.Neg. Rom70.907) ausgearbeitet worden. Eine genaue Überprüfung am Original
läßt keinen Zweifel zu, daß dieses Tuch von Anfang an geplant und ausgearbeitet war. Der Sarkophag
war also offenbar immer für einen Venator bestimmt.

27 ASRI2, Taf. 1,4.

28 ASRI2, Kat. 8, Taf. 1,2; 2,1-3; 3,1.2.

29 Vgl. H. R. Goette bei H. Gabelmann, BJb 179,1979,788. - ASRI2, 152 zu Kat. 50. - M. Pfänner, der

Titusbogen (1983) 64 mit Anm. 78.79.
 
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