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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0022
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Bernard Andreae

dings nur in einem 2,80 m langen Relief unterbringen. Daß dies nicht zu lang ist,
zeigt der Sarkophag in der Via Poli in Rom (Taf. 28.29), der möglicherweise noch
etwas länger, auf keinen Fall aber kürzer war.

Es besteht also nicht nur kein Zwang, für die Ergänzung des Münchener Sarko-
phages an einen fliehenden Löwen zu denken, sondern dieser ist mit Sicherheit aus-
zuschließen. In diesem Fall muß man einen heranpreschenden Löwen fordern, und
das würde die Aussage des Münchener Löwenjagdsarkophages gegenüber dem Vor-
schlag von Dieter Ohly (Textabbildung l)77 entscheidend verändern, und zwar
sowohl was die rechte als auch was die linke Seite der Komposition und was den
Stellenwert des Jagdherrn innerhalb der Komposition betrifft. Um ein plausibles
Höhen-Längen-Verhältnis des ganzen Sarkophages zu erzielen, mußte Ohly auf
der linken Seite außer dem zur Flälfte erhaltenen Pferdeführer und der scharf ange-
schnittenen Virtus noch den Jagdherrn, den er sich nach Reimser Vorbild gepan-
zert vorstellt, und eine Hintergrundfigur postulieren78. Der Jagdherr zu Pferde
würde bei diesem Rekonstruktionsvorschlag (Textabbildung 1) aus der Mitte nach
rechts gerückt, die ganze Jagdszene nahm weniger als die Hälfte des Bildfeldes ein,
während die Aufbruchszene ein sonst nicht belegtes Gewicht bekam. Dabei wurde
nur das klassische Verhältnis von 1:2 zwischen Höhe und Länge erreicht, während
in dieser Zeit die Sarkophage deutlich länger werden. Nimmt man nun für den
Münchener Sarkophag (Taf. 1.2.5.8-9) wie für den in der Via Poli (Taf. 28.29) einen
gestreckten Löwen an, das heißt einen Löwen, wie ihn das Mailänder Fragment
(Taf. 4) bietet, dann braucht man entsprechend der gängigen Typologie links nur
zwei Vordergrundfiguren, nämlich den Grabherrn im Aufbruch, der hier wie bei
zwei anderen Sarkophagen dieser Zeit79, sein Pferd selbst am Zügel führt, und die
neben ihm stehende Virtus zu postulieren und braucht zu keiner unbeweisbaren
neuartigen Typologie Zuflucht zu nehmen. Allerdings wird der Jagdherr zu Pferde
auch in diesem Fall aus der Mitte der Komposition herausgerückt, aber nicht nach
rechts, sondern nach links und dies keineswegs zum Schaden der Aussage des
ganzen.

Um ein erstes Fazit zu ziehen: Die Fragmente in München (Taf. 1.2.5) und in
Chapel Hill (Taf. 3) lassen sich, was den Löwen angeht, nach dem Vorbild des Sar-
kophages in der Via Poli (Taf. 28.29) treffender rekonstruieren als nach dem Vor-
bild des im übrigen fast eine Generation älteren Sarkophages Mattei II (Taf. 23). Das 77 78 79

77 s. o. Anm. 52.

78 In ASRI2,64 hatte ich mein Bedauern darüber ausgedrückt, daß uns wegen der Zerstörung des Sarko-
phags eine Anschauung der wichtigen, von Ohly erschlossenen kompositionellen Neuerung, näm-
lich die Einfügung des gepanzerten Jagdherrn in eine Dreifigurengruppe, versagt bleibt. Es zeigt sich
jetzt, daß die „kompositionelle Neuerung“ eine Fiktion ist.

79 Rom, Cimitero Maggiore, ASRI2, Kat. 78, Taf. 53,1 und Rom, San Sebastiano I, ASRI2, Kat. 149,
Taf. 52,2.
 
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