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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0037

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Die Bildnisse des Seleukos I. und des Demetrios Poliorketes

ren gemeinsam mit seinem Vater Antigonos den Königstitel an-
nahm, ist in dem einzigen von ihm bekannten, ebenfalls in der Pi-
sonen-Villa gefundenen Porträt, das ihn mit Königsdiadem zeigt, et-
wa dreissig Jahre alt, wenn man denn das Alter eines Dargestellten
bei einem künstlerisch gestalteten Porträt so genau abschätzen
kann. Auch Ptolemaios I. ist im Regierungsantrittsalter von Anfang
sechzig dargestellt. Wir werden auf dieses Problem bei der Betrach-
tung der Bildnisse der beiden Attaliden, Eumenes II. und Attalos IL,
zurückkommen (S. 104).

Das Bildnis Seleukos' I. Nikator, das nach dem Gesagten bald nach
dem des Demetrios Poliorketes entstanden sein dürfte, zeigt ähnlich
wie dieses einige gegenüber allen früheren Porträts entscheidende
Neuerungen, die für den ganzen Hellenismus bestimmend bleiben,
auch wenn noch weitere, nicht weniger interessante und signifikati-
ve Neuerungen der Bildniskunst im Lauf der Zeit hinzukommen
sollten. Es lohnt deshalb, sich bei der Betrachtung und Bestimmung
des Stils dieses Porträts etwas länger aufzuhalten. Die grosse Leben-
digkeit und Intensität des Ausdrucks, die durch die in Glasfluss ein-
gelegten Augen noch betont wird, ist das erste, was einen bei diesem
Bildnis gefangennimmt. Vergleicht man das Bildnis mit solchen von
Persönlichkeiten des vierten Jahrhunderts v. Chr. wie Piaton, Aischi-
nes, Hypereides, Aristoteles und auch mit dem des allerdings nicht
älter als dreiunddreissig Jahre alt gewordenen Alexander d. Gr., Seleukos 1.
dann fällt einem auf, wie anders die Gesichtsmuskulatur des Seleu- Neapel, Mus. Arch.
kos durchgearbeitet ist, wie die Stirn eine Protuberanz bildet, die 305/4 v. Chr.
durch eine Falte nach oben abgetrennt und über der vertieften Na-
senwurzel zusammengezogen und zweigeteilt ist. Die Brauenbögen
verlaufen nicht in einem scharfen Grat, sondern sind weich gerundet
und zeigen fleischige Orbitalmuskeln, unter denen die Augen tief
eingebettet sind. Die Wangen sind nicht nur durch die Nasolabialfal-
ten, sondern bei aller energischen Spannung von zwei weiteren Fal-
ten durchfurcht, die von den hohen Wangenknochen zum Unterkie-
fer herab verlaufen. Das Kinn springt energisch vor, und der weder
volle, noch dünne Mund ist durch zwei eingekerbte Mundwinkel
vertieft. Die ganze Gesichtsmuskulatur scheint beweglich und span-
nungsgeladen. Die dichten Haare, die durch das Diadem einge-
drückt werden, schieben sich wie eine eigenständige Masse mit
natürlich und locker übereinanderfallenden Sichellocken über die
Stirn. Sie wirken dabei gefällig, als hätte der König ihrer Ordnung
ein wenig vor dem Spiegel nachgeholfen.

Dies gehört zur Individualität der dargestellten Person. Als künst-
lerische Schöpfung ist dieses Porträt aber entschieden stilbestimmt,
wie der Vergleich mit dem im Stil nah verwandten Bildnis des be-
reits erwähnten Demetrios Poliorketes zeigen kann.

Dieser (Abb. S. 32) war gemeinsam mit seinem Vater Antigonos
seit 306 König von Makedonien, der ersten der drei Grossmächte,

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