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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0040

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Die Bildnisse des Seleukos I. und des Demetrios Poliorketes

Die berechtigte Annahme, der Schöpfer des Demetrios-Bildnisses
sei Teisikrates gewesen, bekommt eine noch grössere kunstge-
schichtliche Bedeutung durch die überzeugende Darlegung von Ger-
hard Zimmer, dass ein hochberühmtes hellenistisches Original, der
sogenannte Betende Knabe aus Rhodos in Berlin, aus der gleichen
Werkstatt stammt wie das Bildnis des Demetrios Poliorketes. Hier
wird die Hoffnung bestätigt, dass man aufgrund von Stilgleichheit
auch solche Werke historisch einordnen kann, die nicht durch äusse-
re Kriterien datiert sind. Der plastische Aufbau der nackten Knaben-
figur sagt für die Charakterisierung der Stilepoche natürlich mehr
aus als nur die Köpfe von benennbaren Persönlichkeiten. Aber diese
vermitteln erst die Kenntnis, welche die Voraussetzung alles Weite-
ren ist. Deswegen wird hier auf eine Beurteilung des Bronzeknaben
(S. 41) nur vorausverwiesen und zunächst fortgefahren in der kunst-
geschichtlichen Erfassung der frühesten Diadochenporträts.

An dieser Stelle mag eine kurze Reflexion über das historische
Phänomen der makedonischen Diadochen angebracht sein, das
durch die stereotype Verwendung des Allerweltsbegriffs eines Dia-
dochen in Misskredit geraten ist. Die makedonischen Diadochen
waren die Exponenten eines an der Peripherie der griechischen Welt
herangewachsenen Volkes, das im Verlauf des vierten Jahrhunderts
v. Chr. und vor allem seit der Entscheidungsschlacht von Chaironeia
338 v. Chr. bis zum Aufstieg Roms die Geschicke der Welt bestim-
men sollte. Der als gerechter Krieg gegen die Perser, die zu Beginn
des fünften Jahrhunderts Griechenland unterjochen wollten, propa-
gierte Eroberungszug Alexanders d. Gr. war die Voraussetzung des-
sen, was Johann Gustav Droysen mit dem aus der Apostelgeschich-
te 6,1 stammenden Begriff Hellenismus treffend bezeichnet hatte.
Der frühe Tod Alexanders im Jahre 323 v. Chr. führte zur Aufteilung
des Riesenreiches in Machtbereiche, die als Herrschafts- und Ver-
waltungsräume einigermassen konsolidiert werden konnten. So
entstand das von den Diadochen geschaffene und von ihren direk-
ten Nachkommen, den sogenannten Epigonen, gefestigte Kräftepar-
allelogramm des Antigonidenreiches der Makedonen im Norden,
der Reiche der Seleukiden im Osten und der Ptolemäer im Süden,
während im Westen, oder wenn man so will im Zentrum, das grie-
chische Mutterland mit Athen und den immer wieder durchschla-
genden alten landschaftlichen Bereichen irgendwie weiterexistierte
und im Achäischen Bund sogar ein bedeutenderes Gemeinwesen
hervorbrachte. Ein eigentliches politisches Zentrum gab es nicht,
weshalb die Geschichte des Hellenismus von ständigen Auseinan-
dersetzungen geprägt ist.

Hier interessiert sowieso mehr das, was Jakob Burckhardt als "die
grosse Verwandlung des Hellenentums aus einer politischen in eine
Kulturpotenz" bezeichnet hat. Die hellenistische Kultur, die auf ei-
ner unbändigen Lebensfülle beruhte und durch eine erstaunliche

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