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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0168

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Neue Entdeckungen zum Pergamonaltar

Telephosfries,
Herakles findet
Telephos von einer
Löwin gesäugt

164

ter erwiesen hatten. Diese ausdrücklich hervorgehobenen Wohlta-
ten sind wahrscheinlich nicht allgemeiner Natur, sondern es dürfte
sich um ganz bestimmte Vorgänge handeln, bei denen Eumenes das
Eingreifen der Götter erfahren zu haben glaubte. Zum ersten dürfte
es seine wunderbare Errettung aus dem Attentat von Delphi sein.
Später ist Eumenes im Krieg gegen die Gallier 168-166 noch einmal
aus einer verzweifelten Lage errettet worden. Der König konnte
nach dem Attentat von Delphi nicht mehr zu Pferde reiten, sondern
wurde in der Sänfte aufs Schlachtfeld getragen, von der aus er die
Operationen lenkte, die sein Bruder als Reitergeneral in der vorder-
sten Linie befehligte. Einmal wurde die Kavallerie überrannt und in
die Flucht geschlagen. Die Sänfte konnte nicht rasch genug aus dem
Gefahrenbereich entfernt werden, und der König befahl, sie abseits
des Weges auf einem Hügel niederzustellen. Er sah die Feinde sich
nähern und musste mit dem Schlimmsten rechnen; doch plötzlich
zogen die Gallier sich zurück, weil sie eine Falle fürchteten. In die-
sem Augenblick muss Eumenes das Eingreifen der Götter verspürt
haben. Man kann sich vorstellen, dass sie ihm in der Gestalt vor Au-
gen traten, in der er sie in seiner Jugend während seiner Studienzeit
in Athen am Westgiebel des Parthenon gesehen hatte. Es spricht je-
denfalls alles dafür, diese beiden Erfahrungen, die Errettung aus
dem Attentat von Delphi und die Errettung beim Gallierangriff, als
die agnthti anzusehen, die Eumenes in der Weihinschrift des Perga-
monaltares hervorhebt. Der Pergamonaltar kann dann nicht vor 166
in Auftrag gegeben worden sein.

Dafür spricht auch die Tatsache, dass Eumenes erst durch den
Sieg über die Gallier in den Besitz der bedeutenden Geldmittel ge-
langte, die für den Bau notwendig waren. Es ist überliefert, dass er
alles verfügbare Geld für die Anwerbung von Truppen gegen die
Gallier aufgewendet hatte. Nach dem Sieg gelangten die Pergame-
ner in den Besitz der in Pessinous und Ancyra gehorteten Schätze
der Gallier, welche diese - eine Geissei für alle - bei ihren ausge-
dehnten Raubzügen in Kleinasien zusammengetragen hatten.

Drittens, eine mythologische Anspielung: Bis zum Ende des Ma-
kedonischen Krieges 168 v. Chr. war Pergamon mit Rom befreundet.
Der zunächst auf die Burg von Pergamon beschränkte Stadtstaat
konnte sich in dem Kräfteparallelogramm der Diadochenstaaten
der Makedonen im Norden, der Seleukiden in Osten, der Ptolemäer
im Süden und des griechischen Mutterlandes im Westen nur durch
die Anlehnung an den noch weiter im Westen aufstrebenden römi-
schen Staat halten. Nach der Hilfe, welche die Pergamener den
Römern im 2. Makedonischen Krieg gegen Philipp V. und im an-
schliessenden Krieg gegen Antiochos III. von Syrien geleistet hatten,
machte Rom Pergamon zu einem ansehnlichen Flächenstaat, indem
es Eumenes II. alle Besitzungen der Seleukiden nördlich des Taurus
überliess.
 
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