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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0169

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Neue Entdeckungen zum Pergamonaltar

Doch schliesslich sahen die Römer das Aufblühen des Staates von
Pergamon zu einer Grossmacht mit Misstrauen. Nach dem 3. Make-
donischen Krieg, in dem Pergamon versucht hatte, auf zwei Schul-
tern zu tragen, um Makedonien, das ein Gegengewicht gegen Rom
bildete, nicht vollends untergehen zu lassen, hetzten die Römer die
zwanzig Jahre zuvor von ihnen befriedeten Gallier im Inneren
Kleinasiens gegen Pergamon auf und verwickelten die Pergamener
in einen Kampf auf Leben und Tod. Wider Erwarten der Römer ge-
wannen die Pergamener, und es kam zu dem, was Pausanias (1, 25,
2) die phtorä, die Vernichtung der Gallier, nennen sollte.

Die Pergamener stifteten in den Städten Kleinasiens sowie in Rho-
dos, in Theben, Delphi und Athen Siegesmonumente, von denen
das über hundert Bronzefiguren umfassende sogenannte Attalische
Weihgeschenk auf der Südmauer der Akropolis, an dem noch der
späte Phyromachos mitgearbeitete hatte, besonders eindrucksvoll
gewesen sein muss. Das grösste Denkmal ihres Sieges aber war der
Pergamonaltar, dessen Vollendung Eumenes II. nicht mehr erlebte.
Er starb Ende 159 oder Anfang 158. Die Arbeiten an diesem Werk
wurden zwei Jahre danach plötzlich, kurz vor der Vollendung, ein-
gestellt, und die Wissenschaft ist sich einig, dass es ein Überfall des
Königs Prusias II. von Bithynien auf Pergamon im Jahr 156/155 war,
der zum Abbruch der Arbeiten geführt hatte.

Attalos IL, der damals, nach dem Tod seines Bruders Eumenes,
schon fast drei Jahre an der Regierung war, hatte sich um Hilfe an
die Römer gewandt, die den Konflikt durch ein Machtwort beende-
ten. Die historische Situation war nun so gewandelt, dass es nicht
sinnvoll erschien, die Arbeiten am Pergamonaltar wieder aufzuneh-
men.

Zweifellos hatte der Pergamonaltar eine antirömische Kompo-
nente. Diese ist in einer mythologischen Anspielung deutlich zu
greifen: Am sogenannten Kleinen Fries im Altarhof ist im Rahmen
der Geschichte des Urkönigs Telephos auch die Auffindung des
Kindes durch Herakles im Partheniongebirge auf der Peloponnes
dargestellt. Dieser häufig wiedergegebene und auch schriftlich fi-
xierte Mythos lässt das in der Wildnis ausgesetzte Kind überleben,
weil eine gottgesandte Hindin es ernährt. So sieht man es in vielen
Darstellungen und besonders in der Kopie eines bedeutenden per-
gamenischen Gemäldes vom Ende des dritten Jahrhunderts v. Chr.
aus Herculanum in Neapel. Im Telephosfries hingegen ist es merk-
würdigerweise eine mächtige Löwin, die das Kind an ihren Zitzen
saugen lässt. Man hat darin mit Recht die Aussage erkannt, dass das
von einer Löwin gesäugte Kind Telephos, das Pergamon versinn-
bildlicht, stärker sein wird als die von einer Wölfin gesäugten Zwil-
linge Romulus und Remus, die für Rom stehen. Später kehrte man
zur Darstellung der Hindin als säugendes Tier zurück, wie zum Bei-
spiel die pergamenischen Münzen Mithridates' VI. aus der Zeit von

Telephos, von einer
Hindin gesäugt
Wandgemälde aus
Herculanum,

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