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Antiquitäten-Zeitung — 2.1894

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Seite 2 98,


Nr 38.

Mann“ im alten Rom der Erde übergeben murde. —
Der vierte Saal enthält Thonfiguren und Marmorſkulp-
turen aus der republikaniſchen Periode, der fünfte ſolche
aus der Kaiſerzeit. Viele Köpfe, ſowie Gliedmaßen des
menſchlichen Koͤrpers, die in der Nähe des Tempels
Minerva Mediea aufgefunden worden ſind, erinnern in
ihrem Habitus an die Votivgeſchenke, die jetzt noch in
katholiſchen Kirchen von Geneſenen aufgehängt werden,
welche ihrem Gebete an die Madonna oder an andere
Heilige die Wiederherſtellung aus verſchiedenen Kraͤnk-
heiten danken.

Der ſechſte und letzte Saal iſt ſozuſagen dem Waſſer-
kultus gewidmet. An unzähligen Blei: und Erzröhren
des verſchiedenſten Kalibers jede mit der Firma eines
anderen Fabrikanten verfehen , erkennt man , wie weit-
verzweigt bei den alten Römern der Gebrauch war, das
flüſſige ſegenſpendende Element in ihre Häuſer und
Gärten zu leiten. Auch größere Keſſel ſind vorhanden,
in denen das Waſſer der Aqua Claudia und der anderen
großen Leitungen gewärmt wurde, um in die Bade-
ſtuben und auch (zur Heizung) In Wohnräume geleitet
zu werden Nehnien dieſe Rohren, Keſſel 20. den Raum
an den Wänden des Saales ein, ſo iſt ſein Zuneres
mit Brunnenfiguren, Gruppen 20. geſchmückt. Viele da-
von ſind zieuilich wohlerhalten, wenn ſich freilich auch
im ganzen Magazzino archeologieo keine tadelloſe Büſte,
keinẽ unverletztẽ Statue befindet. Doch an verſchiedenen
Torſt und Fragmenten erkennt man denn doch die künſt-
leriſche Hand eines Griechen oder eines im helleniſchen
Geiſte gebildeten Römers! Und die Zeit iſt zluͤcklicher-
weiſe vorüber, wo defekt gefundene Büſten Statuen
und Gruppen einem zeitgenoͤſfiſchen Bildhauer zur Er-
gänzung ühergeben wurden. Der achtloſe Touriſt, der
oft im Vatikan, im kapitoliniſchen Muſeum oder in einer
der Villen vor einer Statue bewundernd ſtehen bleibt,
an der außer dem Standbeine ziemlich alles ergänzt iſt
kommt allerdings in den neuen römiſchen Muſeen nicht
auf ſeine Koſten. Aber nicht allein die Archäologen
erkennen es dankbar an, daß man, unı der Gefahr,
falſch zu ergänzen, zu entgehen die Kunſtwerke in ihrem
fragmentariſchen Zuſtande beläßt, ſondern auch der Bild-
hauer, der noch an der Antike, als ſeinem Vorbilde,
feſthält, und jedes Kunſtwerk aus alter Zeit, das nun
zum Vorſchein kommt, mit Intereſſe betrachtet, will
keine Zuthaten haben , die angefochten werden können.
Dabei bedenkt der idealiſtiſch angelegte Künſtler aller-
dings nicht, welch reichfließender Born an Einnahmen
ſeiner Zeit für ſeine Berufsgenoſſen die Ergänzung der
gefundenen Statuen geweſen iſt! Was aber damals
die Päpſte, die Könige und Vizekönige von Neapel,
die Großherzöge von Toskana und andere italieniſche
Dynaſten gethan haben, das ſollten jetzt die reichen Privat-
leüte thun Jedem begabten Bildhauer, wenn er auch
der Aufträge für Originalarbeiten nicht entbehrt, zuckt
es in allen zehn Fingern, ſich daran zu verſuchen, wie
man dieſes oder jenes verſtümmelt aufgefundene Bild-
werk des Alterthums ſo vervollſtändigen könne, daß
es den Eindruck eines künſtleriſchen Ganzen hervorbringt.
Der Marmor iſt ſo billig in Italien. Warum finden ſich
unter den Nabobs und Kröſuſſen der Gegenwart nicht
Maecene, die ſich für einen Torſo intereſſtren und Uni-
frage halten, was Archäologen und Künftler darüber
denken wie die Statue als Ganzes ausgeſehen haben
Ddürfte, um dann einen Bildhauer zu beauftragen, ſie
für ihr Heim wieder herzuſtellen. Wenn ſie daͤnn das
Gipsmodell der ergänzten Statue dem betreffenden Mu-
ſeum ſchenken, worin der Torſo aufgeſtellt iſt, und es
dieſem zur Seite poſtirt wird, dann ift der Pietät gegen
das Original kein Leid geſchehen und der Mufenumsbe-
ſucher wird zum Nachdenken darüber angeregt, ob der
moderne Bildhauer wohl die Abſicht des antiken, ge-
wöhnlich unbekannten Meiſters errathen habe! Ein
ſolches Problem, vielleicht nicht weniger ſchwierig als
die Ergänzung der Mileſiſchen Venus in Paris, bietet
der bei Subiaco aufgefundene Torſo, der in den Dio-
Aetiansthermen verwahrt wird. Aber auch das neue
ſtädtiſche Muſeum, wie manes denn doch nennen darf, von
dem in den obigen Zeilen die Nede war, weiſt Torſt
auf, die die Erfindungskraft oder Wiedergeſtaltungs-
fähigkeit des Gelehrten und Künſtlers heraus fordern.
Ein griechiſcher Leib zum Beiſpiel, der ein ſchoͤnes rechtes
Bein hHat, während das linke, ſowie beide Arme und
der Kopf fehlen und der doch wohl als Apollo ergänzt
werden müßte, dürfte einen denkenden Bildhauer mehr
anregen, als es die vor Jahrzehnten und Jahrhundet-
ten gefundenen Reſte vermögen, die jetzt als Bachus,
als Autinous, Veſta, Juno oder Aırazone ergänzt in
den Muſeen Herumftehen. Und wenn nicht anders doch
wenigſtens als Preisaufgabe für junge Akademiker follte
man die Erganzung antiker Statuen, etwa ohne das
Original in Mitleidenſchaft zu ziehen, wieder anftreben!

Bibliotheken, Muſeen, Samm-

lungen.

2 Kopeuhagen. (Ethnographiſches

] Dufenm.) Zu den merkwürdigften Schauz
(ſtücken des ethnographiſchen Mırfeums
zu Kopenhagen gehören die ſehr tlichtig
und forgfältig gemalten Oelbilder hra-
ſilianiſcher Ureinwohner aus dem 17.
Jahrhundert, welche zweifellos jener
Sammlung entftammen, die der Graf und ‚ nachmalige
Fürſt Zohann Morig von Naſſau-Siegen als Stattz
halter der niederländiſchen Kolonien in Nordoftbrafilien
anfertigen ließ und ſpäter jammt anderen naturgefchicht-
lichen Bildern an den Großen Kurfürften Friedrich
Wilhelm von Brandenhurg berkaufte. Als Gejchente
ſind ſie dann wahrſcheinlich im Zahte 1690 nach Däne-
marf gelommen, hier haben fie als die älteften
künſtleriſchen Daxſtellungen von amerikanijchen Volks:
typen, die hekannt find, von jeher ein bedeutendes Inte-
rejje erwect. Bisher war es nicht woͤglich gewejen,
völlig Sicheres für eine genauere Beftimmung , diejer
Semöälde zu erfahren, fie einem beftimmten Stamme
zuzuweifen; nır als wahrſcheinlich wurde angenonimen,
baß die Modelle des Künitlerz der Tupination angehört
hatten, jenen erſten Indtanern Brafilien3, die mit CGıt-



repäern in Berührung kamen Neuerdings nun hat
Paul Ehrenreich, der Erforſcher Brafilienz, den Bild-
niſſen im Globus eine eigene Abhandlung gewidmet
und ſie auf dem kürzlich in Stockholm getagten zehnten
internationalen Amerikaniſtenkongreß, noch durch einige
Erläuterungen vervollſtändigt. Nach ſeinen Ausführungen,
welche auf eine tiefe und eindringende Kenntniß der
braſilianiſchen Ethnologie gegründet ſind, hat man die
Originalvorlagen für die Kopenhagener Portrats in dem
im Beſitze des königlichen Kupferſtichkabinets in Dresden
befindlichen Thierbuch des Zacharias Waguer zu ſuchen,
der als Beamter vom Jahre 1634—1641 im Dienſte
des Fürſten Moritz ſtand, und die dargeſtellten Indianer
ſind mit Sicherheit nicht den Tupi, ſondern der Stamm-
gruppe der Tapuha zuzurechnen, über welche wir durch
die ziemlich reichlich vorhandenen alten Nachrichten mehr
wiſſen, als von den meiſten noch heute vorhaͤndenen
Stämmen. Durch Benutzung der älteren, bisher faſt
ganz unbekannt gebliebenenen und auf der königlichen
Bibliothek zu Berlin befindlichen Mentzel'ſchen Bildniß-
Sammlungen, welche gleichfalls zu den dem Großen
Kurfürſten überlaſſenen Schätzen gehörten, wird weiter
nachgewieſen, daß die Tapuya, deren Bildniſſe Moritz
von Naſſau uns hinterließ, ein Gesvolk waren, daß fie
den Namen der Taraiyon oder Otſchucahana führten
und den Pataſho oder Korpno verwandt, wenn auch
keineswegs mit denſelben identiſch waren. Dieſes durch
Ehrenreich gewonnene Reſultat iſt von nicht zu unter-
ſchätzender Bedeutung, da es einer erloſchenen Völker-
ſhaft, über die verhältnißmäßig viele Nachrichten von
Augenzeugen erhalten ſind, einen einigermaßen ſicheren
Plaß innerhalb des braſilianiſchen Völkergewirres an-
weiſt, und da gerade über die Gesnationen, deren größte
noch unabhängige Horden zwiſchen Tocantins und Kingu
ihr Weſen treiben, bei der weiteren geographiſchen Er-
forſchung des Landes noch wichtige Aufſchlüſſe zu er-
warten find, durch die vielleicht neues Licht auf jene
alten Küſtenſtämme fallen wird. Der wiſſenſchaftliche
Nachlaß jenes edlen deutſchen Fürſten und ſeiner Mit-
arbeiter hat ſo erſt jetzt die rechte Würdigung erfahren,
und mit dieſer Würdigung iſt, wie Ehrenteich mit Kecht
bemerken darf, zugleich eine patriotiſche Pflicht erfüllt.

Berichte aus Vereinen.

Paris. (In der Akademie der Inſchriften) gab
Philipp Berger, der Nachfolger Renaus auf dem Lehr-
ſtuhle für ſemitiſche Philologie im College de France,
Auskunft über ein intexeſſanfes neupuniſches Grabdenk-
mal, das bei Bemada in Tripolis entdeckt worden iſt.
Das Grab beſtand aus zwei Stockwerken, auf denen
eine Pyramide ſtand. Vier Flachreliefs umgeben den
Sockel. Eines ſtellte den Verſtorbenen und feine Fa-
milie, das zweite Orpheus unter den Thieren, das dritte
Orpheus und Eurydike, das vierte Herkules und Aleeſte
dar. Eine zweiſprachige, neupuniſche und lateiniſche
Inſchrift ſagt, daß das Denkmal einem gewiſſen Apul-
eius Marinius Rideus von ſeiner Sattin Thamibra
und ihren Kindern errichtet worden iſt. Berger wies
beſonders darauf hin, daß die Ahnen des Verſtorbenen
rein puniſche Namen er ſelbſt einen halb puniſchen halb
laͤteiniſchen, ſeine Kinder aber rein lateiniſchẽ Namen
tragen. Die Inſchrift zeigt deutlich den Uebergang von
puniſchen zu römiſchen Sitten.

Ausgrabungen, Eutdeckungen,
Funde.

Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion geſtattet. Sämmt-

liche Fund⸗Nachrichten ſtammen gusnahmslos aus der neueſten geit.

Einſendungen ſtets erwünſcht. Bei Zeitungsausſchnitten iſt zu be-
merken, aus welchem Blatte fie ſtamien.)

Der Hexausgeber eines Blattes in Amerika wendet
ſich mit den Woxten an das Publikum: „Wenn
Sie irgend etwas wijjen, was zu wiſſen intereſſant
ift, und was wir eigentlich wiſfen ſollten, und von
dem Sie wiſſen, daß wir es nicht wiſſen — bitte,
laſſen Sie e8 uns wijen!“ — Zas gilt auch für
unſere geneigten Leſer.

Kaufbeuren. (Wandgemälde.) In Kaufbeuren
wird gegenwärtig die wegen ihrer mittelalterlichen Kunſt-
ſchätze berühmte Blaſiuskapelle erneuert, weshalb die
alten großen Wandtafeln abgenommen ſind! Unter
der Tünche zeigten ſich Fresken, offenbar nichts anderes
als die überaus naiven Originale der ſpäter auf er-
wähnte Holztafeln gemalten Legendenbilder aus dem
Leben der Heiligen Blaſius und Vitus, und unter
dieſen Fresken kommen noch ältere zum Vorſcheine: eine
Reihe Einzelfiguren mit Spruchbaͤndern; leider ſind
auch an ihuen die Zeichen allzugroßen Entdeckungseifers
nicht ſpurlos vorübergegangen. Es wäre zu wünſchen,
daß wenigſtens von dieſen erhalten bliebe, was zu er-
halten iſt Kaufbeuren wäre dann um ein Kunftdenk-
mal reicher.

Gießen. (Limesforſchung) Eine der wichtigſten
Fragen der Limesforſchung, ob der Zentralpunkt des
von der Saalhurg und Groß-Krozenburg aus nördlich
bis in die Nähe von Gießen vorſpringenden Winkels
des Limesgebietes befeſtigt war, iſt in dieſen Tagen
von dem Streckenkommiſſar für Heſſen, Friedrich Kofler,
durch Auffindung eines römiſchen Kaſtells in der Burg
Friedberg gelöſt worden! Burg und Stadt Friedberg
waren durch die wichtigen Beobachtungen und Mitthei
lungen des im Iahre 1862 daſelhſt verſtorbenen Bro-
feſſors Dieffenbach und anderer bekannt als Römerſtät-
ten. Weit über das Weichbild von Burg und Stadt
hinaus erſtrecken ſich die Merkmale römijcher Beſtede-
lung. Zahlreiche treffliche römiſche Straßen ziehen von
Friedberg aus ſtrahlenförmig nach allen Kichtungen
und verbinden es mit den theils naͤchgewieſenen! theils
gemuthmaßten Kaſtellen der Wetterauer Limeslinie:
Kapersburg, Kaiſergrube, Burg bei Laugenhain, Hunnen-
hurg Ibei Butzbach, Gruningen, Alteburg bei Arusburg,
Fchaell und Oberflorſtadt. Die Haupkverbindung be-
ſtand jedoch über Hedderheim mit Mainz. Es Herr{chte
unter den Forſchern kein Zweifel, daß ein Ort von ſo
hoher Bedeutung hefeſtigt geweſen fein mußte, und
man {uchte dieſe Befeſtigungen in der noch heute in
den Thoren, Thürmen und Außenmauern erhaltenen

ehemaligen kaiſerlichen Keichsburg Friedberg, die merk-
würdigerweiſe erſt im Beginne des 13. Jahrhunderts
zum erften Male urkundlich erwähnt wird. Man weiß,
daß in den ſteben bis acht Jahrhunderten ihres hiſtort
ſchen Beſtehens große bauliche Veränderungen in ihr
ſelbſt und an ihren Befeſtigungen vorgenommien wurden,
und es war ſchwer zu fagen, ob e3 jemals gelingen
werde, in auf oder außerhalb der Burg eine Tömifche
Befeſtigung nachzuweiſen. Dieffenbach hatte zwar ge-
glaubt, bei einer Reparatur der Burgmauern an einem
von ihm nicht näher bezeichneten Orte ein römiſches
Thor geſehen zu haben, aͤllein ſein Sohn Guſtab und
viele Andere nahmen an, daß ein Kaſtell von ſo großer
Bedentung auch eine große Ausdehnung gehabt Hätte
und ſich über den heutigen Wallgraben hinaus gusge-
dehnt haben müſſe! Nachdem Kofler nun zu Beginn -
ſeiner Grabungen innerhaͤlb der Burg Thetle eines
römiſchen Thores gefunden hatte, das er für die Porta
decumana hielt, iſt es ihm unlängit gegluͤckt, dicht vor
der Nordoſtecke der Burgmauer im ehemaligen Zwinger
die gleichnamige Ecke des Kaſtells zu finden, während
er am Schluſſe der Woche die ſüdöſtliche Abrundung
unter den Mauern der Südoſtecke nachwies. Hiermit
iſt der Beweis erbracht, daß die Umfalfungsmauern
der Burg ſich auf denen des Kaſtells erheben und für
dieſes eine Ausdehnung von etwa 244 Länge und
154 m Breite ergeben, ein Maaß, das hinker der
Schätzung weit zurückbleibt! Nachdem die berühmten
dret Punkte feſtgeſtellt find, wird es nicht ſchwer halten,
auch die ührigen drei Thore aufzufinden. Bet den
Graͤbungen innerhalb der Burg wurden auch die Funda-
mente der ehemaligen Burgkapelle freigelegt, die genau
an der Stelle ſtand, wo man in anderen Kaſtellen das
Praͤtorium nachgewieſen hat Die Ausbeute an Fund-
ſtücken war bisher ſehr gering und beſtand namentlich
in Ziegelſtempeln der 11. Legion, Claudia, der 14,
Legion und der 21. Legion, KRapar. Das gleichzeitige
Vorkommen dieſer Stempel ſpricht flir eine ſehr frühe
Anlage und weiſt auf das erfte Sahrhundert nach
Chriſti Geburt hin. An Kohortenſtempeln wurden ge-
funden: Coh. I Aquitanorum, Coh, I Flavia Damasce-
norum und Coh. III Vindelicorum.

DBrüffel. (Schieferplatten.) Schon wieder iſt bei
den Aufräumungsarbeiten in den Ruinen der Eiſtercten-
ſerabtei Villers ein ſehr wichtiger Fund gemacht worden.
Man hat ſechs Schieferplatten zu Tage gefördert, welche
von einem Mönche des 13. Jahrhunderts mit einer
feinen, gedrängten Schrift bedeckt worden ſind. Nach
einer oberflächlichen Prüfung der gothiſchen Schriftzeichen
enthalten einzelne Tafeln Rezeptẽ für Hautkrantheiten,
Fieber und andere Krankheiten; andere Tafeln ent-
halten Anweiſungen für den Kirchendiener. Dieſe merk-
würdigen ſteinernen Handſchriften ſollen Fachmännern
zur Entzifferung übergeben werden! Die Regierung be-
abſichtigt, die ganze Abtei eines der merkwürdigſten
Denkmäler der Baukunſt, in ihrem alten Glanze wieder
herzuſtellen.

Sendſchirli. (Die archäologiſchen Ausgrahungen
des Profeſſors v. Buſchau in Sendſchirli (Vilajet von
Adanch die im April dieſes Jahres begonnen wurden,
haben bis heute das Erdgeſchoß eiues praͤchtvollen Mar-
morpalaſtes bon ſeltener architektoniſcher Schoͤnheit ver-
muthlich desjenigen des Königs Barrekub, eines Vaſallen
der Aſſhrer, bloßgelegt. Zwei gänzlich unbeſchädigte
Löwen von übernatürlicher Größe in liegender Stellung
halten am Eingange zum Königspalaſte Wache. Die
im Schloſſe ſelbſt entdeckten Gegenſtände und Hausge-
räthſchaften aus der zweiten aſſhro⸗babyloniſchen Kunſt-
periode, wie auch die in der Umgebung des maſſiv kon-
ſtruirten Marmorpalaſtes zu Tage geförderten, zaͤhl-
reichen Antiquitäten, darunter verſchtedene Münzen, Krüge,
Speere, Statuetten 1, ſ. w., Stücke von hohem Werthe
und künſtlexiſcher Bedeutung, ſind an das Berliner
Muſeum geſchickt worden; die geſammte Sendung er-
fordexte einige 50 umfangreiche KXijten.

Rom. (Auzgrabung.) Bei der Vigne des Collegio
Germanico an Dder alten via Salaria iſt durch Aus-
grabungen, welche die Commissione di archeologia sacra
aͤngeſtellt hat, die ſchon 1845 aufgefundene und ſpäter
wieder perſchüttete Krhpta der Märtyrer Protus und
Hyacinthus von neuem aufgedeckt. In der Maner der
zur ihr hinunterführende Treppe fand ſich eine Niſche,
deren Verſchlußſtein eine aus dem Jahre 400 ftammende,
in ſehr fehlerhäften Verſen abgefaßte chriſtliche Inſchrift
trägt. Eine andere hier gefuͤndene Inſchrift, die nur
in Bruchſtücken erhalten iſt bekundet, daß die Treppe
von dem Preshhter Theodorus angelegt iſt. In der
Nähe wurde ein Gemach aufgedeckt, deſſen Wölbung
mit Malereien, u. M, einer Darſtellung vom guten
Hirten, vom Opfer des Iſaak, von Daniel unter den
Löwen, verziert iſt.

Athen. (Ausgrabungen auf Delos.) Die von
der franzöſiſchen Schule in Athen ſeit 1877 peranſtalte-
ten Ausgrabungen auf der Injel Delos haben nach
längerer Pauſe mit der Aufdeckung des Theaters wieder
begonnen. Darnach entſpricht der Befund dem Syſtem
des griechiſchen Theaters, wie es Vitruy angibt. Die
Anlage des Ganzen iſt von dem die Orcheſtra bildenden
Kreiſe abhängig, nacdh deſſen Eintheilung ſich die An-
lage des Buͤhnengebäudes und des Zuſchauerrgumes
richtet. Der Zuſchauerraum hat in etwaͤs über mittlerer
Höhe einen breiten Umgang und iſt in ſeiner untexen
Hälfte durch acht von der Orcheſtra anſteigende, in der
oberen durch doppelt ſo viele Treppen getheilt. Das
Bühnengebäude iſt als großer rechteckiger Saal ange-
legt, der von einer mit Haͤlhſäulen und Standbildern
gefchmückten Halle umgeben ift. In den zahlreich auf
Delos gefundenen Rechnungsurkunden ſind Berichte über
die Ausgaben für den Ban des Theaters enthalten.
Sie geben genaue Benennungen der einzelnen Theile der
Theatereinrichtung. Aus ihnen geht ferner herbor, daß
ſich die Herſtellung des Theaters über einen Zeitraum
von ungefähr hundert Jahren erſtreckte Beſonders leb-
haft wurde in den Zahren 276 bis 246 v. Chr. an dem
Bau gearbeitet. Es iſt dies, wie e& ſcheint, die letzte
Bauperiode geweſen, denn die in den folgenden Jahren
aufgewendeten Koſten entfallen ausſchließlich auf die
Ausſtattung der Vorſtellungen. — Die weiteren Aus-
grabungen haben haußtſächlich die Aufklärung des Hafens
und der Docks und das Studium der Privathäuſer zum
 
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