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durch welche sie das Göttliche der Seele des Menschen
nahe zu bringen gedachten, und begleiteten sie mit hei-
ligen Formeln und feierlichen Verheissungen, welche sie
durch Priester an bestimmten Orten, an bestimmten
Tagen und unter bestimmten Bedingungen verkündigen
Hessen. Dadurch wurden die Orte zu heiligen, die Tage
zu Festen und die Festfeier zu einer Mysterienfeier.
Nur dunkle Ahnungen von dem, was gesagt und gethan
wurde (Xeyöaeva v.al dqtbfxeva)^ drangen hinaus zu denen,
die vor der Thür standen; nur ganz Allgemeines kam zu
ihren Ohren: es war nicht erlaubt, von Lehre und Kultus
Einzelheiten Ungeweihten mitzuteilen. Zwar gab es
keinen besonderen Eid, durch welchen die Teilnehmer
an solcher Feier sich verpflichtet hätten, nichts zu sagen;
man nahm im Gegenteil an, die Gottheit schütze sich
selbst; aber die Mitglieder der Mysterien-Gemeinden be-
obachteten unverbrüchliches Stillschweigen als ein ihnen
auferlegtes Gebot (-S-efxig) und ahndeten nicht nur die
Übertretung desselben als Gotteslästerung (äoeßeia) mit
je nachdem grösseren oder geringeren Strafen, wie da
sind Tod, Versagung des Begräbnisses im Inlande, Kon-
fiskation des Vermögens oder zum mindesten Verbannung
aus Athen, sondern auch schon der, welcher über die
Mysterien spottete oder nur witzelte, lief Gefahr, ange-
klagt zu werden.

Friedlich sass einst1) neben dem obersten Priester
der Eleusinien, dem Hierophanten Eurykleides, ein ge-
wisser Theodoras und fragte: „Was nennst Du denn
Gotteslästerung bei den Mysterien?" „Wenn jemand sie
ausplaudert," erhielt er zur Antwort. „Aber dann," sagte
er, „bist Du ja so ein Plauderer, denn Du zeigst und
lehrst doch die Geheimnisse den noch nicht Geweihten."
Theodoras spasste und neckte, der Hierophant aber nahm

1) Diog. Laert. ed. Cobet 1850, p. 56.
 
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