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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 3.1879

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Kekulé von Stradonitz, Reinhard: Marmorgruppe der Sammlung Modena in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9393#0022
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treten der ähnlichen Gruppirung von Venus und Amor auf den
römischen Münzen und Reliefs. Für diese Gruppirung würde die
in der Terracotta befolgte Anordnung als formales Vorbild bestehen
bleiben, auch wenn hier nicht, wie ich glaube, Aphrodite, sondern
eine andere Frau mit Eros gemeint sein sollte. Aber da wir bei
einer derartigen Terracotta natürlicher Weise nicht an eine Einzel-
erfindung, sondern nur an ein Beispiel eines feststehenden und ver-
breiteten Typus denken dürfen, so führt dies von neuem zur Deutung
auf Aphrodite; und eine Bestätigung bietet, wie ich meine, der un-
zweifelhafte Typus der Aphrodite, wie er in der auf Taf. II, 2
abgebildeten36) Terracottagruppe vorliegt. Dieselbe stammt aus
Böotien und befand sich im Winter 1875/76 in einer Privatsamm-
lung zu Athen; die Höhe beträgt etwa 0'40 M. Die Gruppe ist
etwas beschädigt, vielfach zusammengesetzt und dabei verschmiert.
Es sind Reste von Deckweiss erhalten, im Haar Rothbraun. Die
Rückseite ist flach, darin ein länglich viereckiges Brennloch; die
Basis ist unten offen. Hier ist Aphrodite durch Eros und Taube
deutlich bezeichnet; und wenn die Arbeit vielleicht nicht so alt ist,
als sie auf den ersten Blick scheinen mag, so liegt doch offenbar
in der Formgebung und Anordnung ein der Gruppe von Rugge vor-
ausgehender früherer Typus der Aphrodite zu Grunde, in welchem
ähnlich wie in alterthümlichen Terracottasitzbildern einer doch schwer-
, lieh anders als auf Aphrodite deutbaren Frau, welcher Eros auf der
Schulter sitzt37), Eros der Hauptfigur mehr äusserlich zugesellt ist,
während man später dieser mythologisch gegebenen und überlieferten
Vereinigung ein anmuthenderes Motiv abzugewinnen suchte. Auch
aus der hohen Kunst ist ein Beispiel ähnlicher Gruppirung anzu-
führen. Freilich nicht statuarisch, sondern im Hochrelief erscheint
Eros neben der Schulter der vollbekleideten Aphrodite, dieses Mal
nicht ihr zugewandt, sondern von ihr ausgehend, auf einer Metope
des Parthenon, in der Scene der vor Menelaos flüchtenden Helena38).

Wenn also in Caesars Zeit ein Künstler den Amor an der
Schulter der Venus anbringen wollte, so fehlte es nicht an nach-
weisbaren griechischen Vorbildern; doch diese sind nicht grosse
Statuen, sondern in Rundfiguren nur leichtere und geringere Werke

36) Nach einer grösseren Zeichnung von L. Otto in demselben Apparat.

37) Panofka Terracotten Taf. 23. [Erst während des Druckes lerne ich Heuzey
des figurines antiques de terre-euite du musie du Louvre (Paris 1878) kennen, auf
dessen Tafel 41, 1 ich wenigstens noch hinweisen will.]

3S) Michaelis Parthenon Taf. 4, XXV.
 
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