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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 4.1880

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Klein, Wilhelm: Studien zur griechischen Künstlergeschichte, [1]: die parisch-attische Künstlerschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.9394#0017

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11

Eine letzte Sicherung bietet noch der Name des Meisters dessen Hera
neben seiner stand. Kallimachos und Kaiamis haben wir uns als
ein innerlich und vielleicht auch äusserlich nahestehendes Künster-
paar zu denken22). Wir sahen den älteren Praxiteles früher mit
diesem verbunden, wir sehen ihn jetzt in Verbindung mit jenem.

So haben wir bis jetzt vier jener Werke, welche uns als pra-
xitelisch überliefert worden, für einen Praxiteles des fünften Jahr-
hunderts zurückgewonnen, in dem wir füglich den Grossvater des
grossen Praxiteles erkennen können: die Gruppe im Demeter-
heiligthume zu Athen, den Wagenlenker auf dem Gespanne des
Kaiamis, die Hera Teleia und die Rhea mit dem Steine in Platää.
Drei dieser Werke standen in angesehenen Heiligthümern, für das
vierte lässt sich gleichfalls nur ein hervorragender Standort denken.
Spricht da nicht alle Wahrscheinlichkeit dafür dass einst eine grössere
Anzahl öffentlicher Denkmäler desselben Meisters vorhanden gewesen
sei? Und war dem so, dann muss das so naheliegende Missver-
ständniss immer wieder aufs neue eingetreten sein, dann hat aber
auch die falsche Etikettirung für die Erhaltung der Kunde von
diesen Werken gewiss auch wieder das ihrige beigetragen. Und
dass der Katalog der praxitelischen Werke in hohem Grade der
Kritik bedarf, mag ein einfaches Rechenexempel zeigen. Während
wir in der 0 verbeck'schen Sammlung Lysipp durch 35 Nummern
vertreten finden und Skopas gar nur durch 25, werden dort nicht
weniger als 47 Werke als „sicher" praxitelisch bezeichnet, denen
noch ein stattlicher Nachtrab mehr oder weniger zweifelhafter folgt.
Und doch ist es sicher, dass ein Schluss auf die Quantität der
Leistungen dieser drei Meister unter Zugrundelegung dieser Zahlen
als Verhältnisszahlen ein verkehrtes Resultat geben müsste, denn
Productivität wird sowohl dem Skopas als dem Lysippos nachge-
rühmt, Praxiteles aber ausdrücklich nirgends.

Dieses Missverhältniss tritt aber noch schärfer hervor, wenn
wir den Umfang der Werke ins Auge fassen. Dann müsste gerade
Praxiteles der Preis umfangreicher Gruppenbildung zuerkannt werden,
wie er gelegentlich einmal dem Skopas ertheilt wird.23), und doch
lebt er im Gedächtniss der Nachwelt als Schöpfer von Einzelbild-
nissen. So wird denn als ein Beitrag zur Lösung dieser Schwierig-

22) Die zweite Annahme würde uns freilich nöthigen die Thätigkeit des Kalli-
machos, die Benndorf in die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts verweist, doch
noch ziemlich hoch in die zweite hineinreichen zu lassen.

") Plinius 34, 26.
 
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