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Unser Erstaunen wuchs, als wir eine Reihe weiterer Gegen-
stände, unter Anderem höchst bewegte Amazonen- und Kentauren-
kämpfe, die Jagd des Meleager, eine längere Darstellung des Freier-
mordes der Odyssee erkannten und in allen diesen Stoffen einen
Reichthum von Erfindung sich entwickeln sahen, welchen bestimmter
zu würdigen erst der heutige Stand kunstgeschichtlicher Kenntniss
befähigen konnte. Eine zeitliche und stilistische Verwandtschaft mit
dem Nereidenmonument von Xanthos im britischen Museum fiel
sofort in die Augen und forderte zu abwägenden Vergleichen auf,
wobei die unleugbaren Vorzüge, die dasselbe an seinem statuari-
schen Schmuck und vornehmeren Material besitzt, durch den
hier schlechthin gesicherten Zusammenhang der Composition und
eine ungleich grössere gegenständliche Mannigfaltigkeit aufgewogen
erscheinen konnten. Scharf empfanden auch wir den theilweisen Ruin,
der bei einer Jahrtausende langen Aufstellung unter freiem Himmel
nur allzubegreiflich war, aber auch wenn man sich dem Eindruck
desselben völlig überliess, konnte es kaum einen Augenblick zwei-
felhaft sein, dass die prophetischen Schlussworte des Schönborn-
schen Berichtes ernstlich zu beherzigen wären. Zu Ausgrabungen,
die für eine volle Aufnahme des ganzen Monumentes unerlässlich
gewesen wären, waren wir nicht ermächtigt, und nur für wenige
Tage noch durften wir auf den Beistand des Kriegsschiffs rechnen.
Es galt zur Vornahme einer solchen Arbeit oder im glücklicheren
Falle für den Gewinn der Originale selbst mit allem erforderlichen
Apparat ausgerüstet späterhin zurückzukehren, und was sich jetzt
thun Hess, konnte nur vorbereitender Natur sein. Ungesäumt gingen
wir an das Werk. Um durch eine Rückkehr an Bord keine Zeit
zu verlieren, quartierten wir uns, obwohl es an allem Nothigen
fehlte, in einer elenden Hütte, der einzigen die in der Nähe der
Ruinen anzutreffen ist, mit geliehenen Decken ein und begannen am
andern Morgen in aller Frühe das Innere des Heroon von Vege-
tation zu säubern, wobei mehrere Sarkophagfragmente und einige
lose umherliegende Relief blocke, die offenbar aus den Frieslücken
herrührten, allsogleich zum Vorschein kamen. So gut es in der
Eile nebenher geschehen konnte, untersuchten wir die schwer zu-
gängliche kleine Akropolis und die an ihrem Süd- und Westabhange
unter verzweifeltem Gestrüpp sich hinziehenden Grabmonumente,
leider ohne auf eine lesbare Inschrift zu stossen, die den antiken
Ortsnamen hätte verrathen können. Im Ganzen verwandten wir
nicht mehr als zwei Tage allerdings angestrengter Arbeit auf das
 
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