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und Figurengruppen, in der Zeichnung und Reliefbehandlung aller
besser erhaltenen Theile spricht sich dann immer entschiedener die
reizvolle Strenge und Einfachheit älterer hellenischer Kunstweise
aus. Ganz ihrem Charakter gemäss und fast alterthümlich an-
muthend ist namentlich die Naivität, mit der die ausführenden
Künstler scheinbar den ganzen Vorrath ihres Wissens und Könnens
bunt ausgeschüttet haben. Ohne deutliche äussere Trennung und
meist ohne ersichtlichen inneren Zusammenhang sind unvermittelt
die verschiedenartigsten Stoffe nebeneinandergestellt, in deren Ge-
staltenmenge sich die antiken Ortsbewohner einst schwerlich mit
geringerem Staunen als der moderne Entdecker zurechtgefunden
haben mögen , und in der eine Beschreibung auch jetzt ohne Hilfe
von Zeichnungen, wie ich fürchte, unzulänglich orientiren wird.

Südmauer von aussen (Tafel IV)

So oft wir des Morgens, wenn die Südmauer in vollem Früh-
licht glänzte, zu dem Heroon aufstiegen, überraschte uns ihre bild-
liche Ausstattung durch eine ungemein lebhafte Gesammtwirkung
die sich im Herantreten nur zu rasch in ein mageres Gerippe zer-
störter Einzelformen auflöste. Theilweise erklärt sich dieser Fern-
effect des Ganzen durch eine scharfe Gliederung die sie an einem
mit tiefen Schatten sich markirenden Hochrelief in ihrer Mitte vor
den übrigen Wänden voraus hat.

Thor. Aus der oberen Stirnfläche des Thürsturzes springen
in gleichen Abständen vier Vordertheile von geflügelten Stieren
weit hervor, durchaus gleich geformt und streng gegen den Be-
schauer gerichtet; ein jedes bildet eine compacte Masse, da die
Flügel dem Hals aufrecht angeschmiegt und die Vorderbeine mit
straff an den Leib eingeschlagenen Hufen wie in gewaltsamem
Hochsprung angezogen sind. Die drei leeren Räume zwischen ihnen
füllen zwei altgriechische Rosetten und ein ebenso flach modellirtes
Gorgoneion aus, welches letztere die Mitte über der Thürlichtung
bezeichnet. Auf dem freien Streifen unter diesem oberen wappen-
artigen Schmuck sind an dem Thürsturz einige kleine Figuren in
bescheidenem Basrelief angebracht, in denen man die Inhaber der
Grabstätte vermuthen möchte, zwei Ehepaare, die auf fein gedrech-
selten Sesseln in gemessenem Abstände, Mann und Frau, einander
gegenüber sitzen. Diese Figuren befinden sich genau unter den
Stieren, die Viergliederung also weiter führend, und zwar sitzen

Archäologisch-epigraphische Mitth. VI. J3
 
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