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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 7.1883

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Dütschke, Hans: Kleobis und Biton: Sarkophagrelief der Marciana zu Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.9397#0171
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161

trägerin aufTheia oder Euryphaessa in Gestalt einer Pronuba, bei
der Fahrenden abwechselnd auf Selene oder Eos, bei der Sitzenden
auf Hera, die Ewigkeit oder Eos, bat nicht nur keine Klarheit in
das Relief gebracht, sondern geradezu die richtige Erklärung er-
schwert, so dass man sich kaum darüber wundern darf, wenn dieses
interessante Relief seit zwanzig Jahren überhaupt nicht mehr zu
neuen Erklärungsversuchen verlockte. Eine jede vernünftige Inter-
pretation hat aber von dem Verhältniss der auftretenden Personen
untereinander auszugehen und entweder aus den verschiedenen
Attributen ihren verschiedenen Charakter, oder aus ihren gleichen
Abzeichen ihre Identität festzustellen. Das letztere wird dem auf-
merksamen und unbefangenen Beobachter keine Schwierigkeit machen.
Auch dem flüchtigen Blicke wird es nämlich nicht entgehen, dass
die links auf dem Wagen stehende Frau Porträtzüge hat40). Sie
zeigt ausserdem die Haartracht vornehmer Römerinnen aus der
zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., wie sie uns bei
den Köpfen der älteren und jüngeren Faustina41) und bei Büsten
der Lucilla4'2) begegnet; von den neben ihr stehenden Knaben aber
hat der eine (ältere?) krauses, der andere schlicht anliegendes Haar.
Diese Eigenthümlichkeit der Haartracht ist auf dem Relief nicht
minder festgehalten wie die Kleidung, so dass gerade sie zum wich-
tigsten Mittel wird, die Identität der drei ersten Figuren mit den
anderen des Reliefs festzustellen: die Frau auf dem Wagen kehrt
als Fackeltriigerin und als Sitzende wieder, die beiden Knaben aber
erscheinen noch dreimal, als liegend in der Mitte des Reliefs, dem
Gespann zugehend und sich an den Schooss der Sitzenden schmie-
gend. Erscheint nun demgegenüber die Wagenlenkerin des Rosse-
gespanns nach Haartracht und Gewandung als eine ausgesprochene
Idealfigur, so ergibt sich daraus mit zwingender Nothwendigkeit,
dass die dargestellte Handlung sich in der Hauptsache zwischen
drei Personen, einer Mutter und ihren Söhnen — denn so darf man
doch wohl das Verhältniss, besonders mit Rücksicht auf die letzte
Scene rechts bezeichnen — abspielt. Die Namen aber für diese
drei Hauptträger der Handlung einzusetzen, ergibt sich nach dem,
was über den speeifisch sepulcralen Charakter der Geschichte von

u) Hier stellt freilicli die Abbildung hinter dem Originale und der Photo-
graphie etwas'zurück.

4I) Vgl. Imhoof-Blumer Porträtköpfe auf römischen Münzen, Taf. II, 39 u. 41.
**) Vgl. Bottari Mus. Capit. II die Büsten der Lucilla und Faustina Minor.
 
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