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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 13.1890

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Münsterberg, Rudolf: Zur Helena der Gjölbaschireliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.12274#0097

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87

Schön erfunden ist auch die Darstellung des unteren Streifens,
Millingen a. a. O. LIV; Panofka a. a. O. XXXI B. Links
thront ein König, der durch seinen tiaraförmigen Metallhelm
und das darüber gezogene Himation als Barbar gekennzeichnet
ist; etwas vorn übergebeugt, hält er in der Rechten das Scepter.
Ihm führen auf unebenem Boden zwei Jünglinge eine Frau zu,
deren Gebahren von Furcht oder Scham, vielleicht von beidem,
zeugt; sie geht nur zögernd, die Arme unter der Brust gekreuzt,
das Haupt gesenkt, nach vorwärts dem König entgegen. Der
eine Jüngling ist bereits vor den König hingetreten und redet
ihn, vielleicht beschwichtigend, an. Der andere blickt auf die
Frau und deutet mit dem Zeigefinger der Rechten auf den Boden,
wohl um auszusprechen, dass man nunmehr am Ziele sei.

Es liegt nahe, diese beiden Darstellungen in Zusammenhang
zu bringen. Beide zeigen eine Ankunft, die eine bei einem
thronenden König, die andere bei einer thronenden Königin;
beide zwei lanzenbewaffnete Jünglinge, von denen der eine als
Wortführer, der andere, der beidemale über dem Chiton noch
eine Chlamys trägt, nicht etwa als sein Diener, sondern als Be-
gleiter, als Freund auftritt; endlich liegt gewiss auch hier ein
sinnvolles Original zu Grunde, welches dazu berechtigt, selbst
Einzelheiten der Darstellung für die Erklärung zu verwerthen.

Der König ist kein Grieche, sondern ein Barbar, und zwar
ein Orientale, das zeigt seine Tracht. Die drei anderen Personen
kommen aus der Ferne, worauf vielleicht die Beschuhung der
beiden Jünglinge hindeutet. Die Frau ist keine Gefangene, denn
nichts deutet auf Anwendung von Gewalt. Ort der Handlung
ist eine Gebirgsgegend. Dies alles scheint mir nur eine Er-
klärung zuzulassen, nämlich auf die Ankunft des Paris mit
Helena bei Priamos. Die beiden Jünglinge sind demnach die-
selben wie im oberen Streifen, was übrigens schon Millingen und
Panofka nicht entgangen war; das Gebirge ist der Ida; die
Haltung der Frau wird verständlich: in bräutlicher Tracht steht
Helena, von Scham und Furcht erfüllt da und gewärtigt die
Entscheidung des Priamos über ihr Schicksal.

Auf der Rückseite sind im oberen Streifen zwei Kämpfer-
paare, im unteren ein Komos gemalt. Dass die ersteren gleich-
falls mythischer Natur sind, halte ich für denkbar.

RUDOLF MÜNSTERBERG
 
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