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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 13.1890

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Löhr, Friedrich: Achills Auszug aus Skyros
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https://doi.org/10.11588/diglit.12274#0180

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verstand vielleicht seine Quelle selbst nicht, wenn er Lycomedes sagen
lässt (Ach. I. 776 sqq. [II. 102 sqq. B.]): „...utinam mihi fortior
aetas / quaeque fuit; Dolopas cum Scyria litora adortos / perdomui,
fregique vadis, quae signa triumphi / vidistis celsas murorum in fronte
carinas."

Nachdem dauerndere Verhältnisse begründet und die Doloper auf
der Insel heimisch geworden, bildete die Volksdichtung die hier voll-
zogene Wandlung zur Sage um. Die Sagen des phthiotischen Königs-
hauses hatten die Doloper in die neue Heimat hinübergenommen, in
Heldenliedern hatte Achills Gestalt schon Färbung, Charakter und
Individualität bekommen. Also längere Zeit nach Besetzung von Skyros
war es, glaube ich, die Dichtung und Sage späterer Inselgenerationen,
welche an die alten Stammsagen organisch anknüpfte, um die Doloper-
gründung auf Skyros, deren Hergang schon aus der Erinnerung ge-
schwunden, in das Leben der Lieblingsfigur der Stammsage verwoben
mythisch wiederzugeben. In Achills Bild ist der Zug nicht zu missen,
dass der kampfesgewaltigste Held, der sich bis zum Übermasse an
aller Leidenschaft der That sättigt, sich elegisch nach friedlichem Glücke
sehnt; auch die Gestalt der Mutter, der schicksalskundigen Thetis, in
ihrer rührend schlichten und natürlichen Stellung zu diesem Zwiespalt
in Achills Wesen ist in der alten Sage wesentlich und ursprünglich.
An diese Züge knüpft die Localsage an. Eine bedeutende Volksunter-
nehmung war in dem Fussfassen der phthiotischen Dynastie auf Skyros
nicht gelegen, auch mag man mit heldenhaften Gegnern hier nicht
viel Kampfesmüh gehabt haben, so finden wir diesmal als Nachklänge
in der Sage nicht wilde Kämpfe, es konnte gerade unsere Fabel von
so individuellem Reize entstehen. Thetis hat Achill auf Skyros geborgen.
Ob auch das Motiv der mädchenhaften Verkleidung zu dem ursprüng-
lichen Bestände der Sage gehört habe, wage ich nicht zu entscheiden,
doch sehe ich keinen triftigen Grund dies abzulehnen. Hier verbindet
sich Achill, wahrscheinlich in heimlicher Liebe, mit Deidameia, dem
Abkömmlinge der einheimischen Dynastie. Mit dem Momente, da der
Krieg wirklich ausbricht, kann Achill nur seinem Heldengeschicke ge-
hören. Er folgt den Werbern von hier aus in den Kampf vor Troia.
Deidameia bleibt verlassen zurück, aber die Insel darf einen Spross
dieser Verbindung des phthiotischen Fürsten mit der skyrischen Königs-
tochter, den Skyrier Neoptolemos, den ihren nennen. Damit war mit
den wichtigsten Facten der Achillsage, Achills Charakterindividualität
und seiner Theilnahme am troischen Kriege, glücklich das Factum der
Inselgeschichte verschmolzen, dass Doloper-Fürsten und -Geschlechter,
die ihre Stammbäume bis in jene heroischen Zeiten hinaufführten, die
Insel besassen.
 
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