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der Politik überhaupt nur zwei Verfassungen; die Oligarchie und die
Demokratie, eine Kolle spielen, sobald es auf die Darstellung' tat-
sächlicher Verhältnisse oder auf die Erwägung ankommt, Avie bestehende
Übelstände gebessert werden können. Denn diese beiden Verfassungen
sind so sehr die am häutigsten vorkommenden, dass wenigstens für
die Zeit des Aristoteles von den anderen abgesehen werden konnte.
Hätte die Politik eine sorgsamere Disposition, so würde dieses Ver-
hältnis noch viel deutlicher hervortreten. Wo Aristoteles in der Politik
als Beurtheiler des Bestehenden und etwa noch als Arzt, der die ein-
zelnen Schäden zu heilen, aber den Organismus nicht zu ändern
vermag, hervortritt, nicht aber als Anwalt einer besseren Zukunft,
dort steht er der Demokratie nicht so schroff ablehnend gegen-
über. Freilich die gesetzlose Demokratie, die alles durch Psephismen
regieren will, verwirft er schlechthin. Mit dieser milden Beurtheilung
demokratischer Formen steht die Überzeugung des Aristoteles in
Zusammenhang, die er im 3. Buche der Politik anlässlich der Unter-
suchung der Frage, wer die Macht im Staate haben solle, ausspricht.2)
Er bekennt, dass die Meinung derer, welche lieber der Menge als den
Wenigen, wenn sie auch die Besten wären, die Macht eingeräumt
wissen wollen, eine Wahrheit enthalte. Der Hauptgrund dafür ist die
Erwägung, dass die Summe der Intelligenzen des gesammten Volkes
einzelne noch so hohe Intelligenzen Weniger überragen muss. Er
schliesst daher das Volk zwar von den Magistraturen aus, in welchen
eben der Einzelne entscheiden muss, will ihnen aber Antheil am
ßooXsoeiv und xpivsiv gewähren, Functionen, bei denen sie immer nur
in grösseren Massen zu entscheiden berufen wären. Dort werden sie auch
mehr als der Einzelne das nichtige treffen, toa-s 8aai(o<; xopiov [xeiCovwv
%o nX-rftoq.3) Wenden wir diese Darlegung der Politik auf die ange-
führte Stelle der Politie an, so begreifen wir es vollkommen, dass
Aristoteles es gebilligt haben musste, dass in einer Verfassung die Masse
zur Entscheidung der wichtigsten Angelegenheiten berufen sei, vollends
in einer Verfassung, in der — was er ja vielleicht getadelt haben
mag — der Amtsführung der Magistrate ein geringer Spielraum
gelassen und die Entscheidung der meisten Dinge in die Willkür
des Volkes gestellt war, eine Willkür, die sich eben nur durch die
grosse Anzahl Berufener selbst beschränkte. Aber das Lob wird in der
Politie noch genauer begründet durch die grössere Unbestechlichkeit
der Masse gegenüber den Wenigen. Und genau denselben Vorzug preist
2) Pol. III 5 p. 1281 a 10, xi SsT zb xupiov elvc« zffi xöliwz-
3) ib. III 6 p. 1282 a 12.
Archäologisch-epigraphische Mittheilungen XVIII, 2.
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der Politik überhaupt nur zwei Verfassungen; die Oligarchie und die
Demokratie, eine Kolle spielen, sobald es auf die Darstellung' tat-
sächlicher Verhältnisse oder auf die Erwägung ankommt, Avie bestehende
Übelstände gebessert werden können. Denn diese beiden Verfassungen
sind so sehr die am häutigsten vorkommenden, dass wenigstens für
die Zeit des Aristoteles von den anderen abgesehen werden konnte.
Hätte die Politik eine sorgsamere Disposition, so würde dieses Ver-
hältnis noch viel deutlicher hervortreten. Wo Aristoteles in der Politik
als Beurtheiler des Bestehenden und etwa noch als Arzt, der die ein-
zelnen Schäden zu heilen, aber den Organismus nicht zu ändern
vermag, hervortritt, nicht aber als Anwalt einer besseren Zukunft,
dort steht er der Demokratie nicht so schroff ablehnend gegen-
über. Freilich die gesetzlose Demokratie, die alles durch Psephismen
regieren will, verwirft er schlechthin. Mit dieser milden Beurtheilung
demokratischer Formen steht die Überzeugung des Aristoteles in
Zusammenhang, die er im 3. Buche der Politik anlässlich der Unter-
suchung der Frage, wer die Macht im Staate haben solle, ausspricht.2)
Er bekennt, dass die Meinung derer, welche lieber der Menge als den
Wenigen, wenn sie auch die Besten wären, die Macht eingeräumt
wissen wollen, eine Wahrheit enthalte. Der Hauptgrund dafür ist die
Erwägung, dass die Summe der Intelligenzen des gesammten Volkes
einzelne noch so hohe Intelligenzen Weniger überragen muss. Er
schliesst daher das Volk zwar von den Magistraturen aus, in welchen
eben der Einzelne entscheiden muss, will ihnen aber Antheil am
ßooXsoeiv und xpivsiv gewähren, Functionen, bei denen sie immer nur
in grösseren Massen zu entscheiden berufen wären. Dort werden sie auch
mehr als der Einzelne das nichtige treffen, toa-s 8aai(o<; xopiov [xeiCovwv
%o nX-rftoq.3) Wenden wir diese Darlegung der Politik auf die ange-
führte Stelle der Politie an, so begreifen wir es vollkommen, dass
Aristoteles es gebilligt haben musste, dass in einer Verfassung die Masse
zur Entscheidung der wichtigsten Angelegenheiten berufen sei, vollends
in einer Verfassung, in der — was er ja vielleicht getadelt haben
mag — der Amtsführung der Magistrate ein geringer Spielraum
gelassen und die Entscheidung der meisten Dinge in die Willkür
des Volkes gestellt war, eine Willkür, die sich eben nur durch die
grosse Anzahl Berufener selbst beschränkte. Aber das Lob wird in der
Politie noch genauer begründet durch die grössere Unbestechlichkeit
der Masse gegenüber den Wenigen. Und genau denselben Vorzug preist
2) Pol. III 5 p. 1281 a 10, xi SsT zb xupiov elvc« zffi xöliwz-
3) ib. III 6 p. 1282 a 12.
Archäologisch-epigraphische Mittheilungen XVIII, 2.
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