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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 18.1895

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Bormann, Eugen: Funde von Carnuntum, [1]: das dritte Mithraeum
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https://doi.org/10.11588/diglit.12277#0180
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Die Cultstätte des Mithras ist die unterirdische, künstlich erleuchtete
Höhle, nicht nur ein Sinnbild des Dunkels, woraus er immer wieder
hervortritt, die Welt zu erleuchten (Preller R. M. II3 S. 414), sondern
zugleich der Welt selbst, in der die menschliche Seele ihre Prüfungen
bis zur endlichen Reinigung zu bestehen hat (Marquardt, Staatsverwal-
tung III2 S. 86 ff.). Wo natürliche Höhlen nicht zur Verfügung standen,
wurden daher künstliche Felsgrotten hergestellt.

Die Grottenform bedingt die Wölbung der Decke, wie sie sich in
dem Mithraeum von Schwarzerden und besonders in dem von San
demente in Rom zeigt. Während aber die Wölbung des letzteren
durchaus gemauert ist, zeichnet sie sich bei ersterem heute nur mehr
durch eine Reihe bogenförmig an der Rückwand der Cella angebrachter
Löcher ab, in welchen Raiken als Träger einer leichteren Gewölbe-
construetion steckten. Es scheint nun, dass in dieser Art auch die
Decken der Mithraeen von Carnuntum construiert waren.

Mit dieser Erkenntnis dürfte ein Einwand hinfällig werden, den
man bisher gegen die durchgängige Wölbung aller Mithraeen darin zu
finden glaubte, dass die Cellamauern sich in- den meisten Fällen zu
schwach angelegt zeigten, um den Druck eines gemauerten Gewölbes
aushalten zu können. Gerade die neueren Funde von Carnuntum geben
jetzt die Autklärung im obigen Sinne.

Architekt Dell gab in seinem Berichte über die Ausgrabung des
Dolichenums (1891) die Zeichnung einer Gewölbeconstruction aus leichtem
Holzstabgeltecht (Fig. 24). Als dieses Jahr der Pronaos des Mithraeums II
aufgedeckt wurde, fand Herr Tragau eine Reihe von Verputzstücken in
demselben, die die gleiche Constructionsart im Xegativ eingedrückt
zeigten und so den Beweis erbrachten, dass auch dieses Heiligthum —
und zwar Cella sowohl als Pronaos — solche Holzstabwölbung als
Decke trug. Ein solches Verfahren beschreibt Vitruv 7, 3.

Als Tragau daraufhin die vorhandenen Stuccoreste aus dem hier
zu besprechenden (III.) Mithraeum nochmals durchmusterte, fand er
auch unter diesen ein Stück, welches dieses Flechtwerk im Xegativ
aufwies, und damit den sicheren Anhalt für die Deckenbildung hier wie
dort. Demgemäss verwendete er sie in seiner Reconstructionsskizze
(Tafel A 2).

Um das Bild einer Felsgrotte zu vervollständigen, kann die Stuck-
verkleidung der Wölbung, ähnlich wie in San demente, Felsen imitiert
haben. Im Mithraeum von Grosskrotzenburg erzielte man den Grotten-
charakter durch Belag der Decke mit unbehauenen blauen Basaltsteinen
ohne Kalkverkleidung. Zum wenigsten mag solche Felsandeutung in
unserem Falle an dem Giewölbe oberhalb des vertieften Raumes der
 
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