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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 19.1896

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Gurlitt, Wilhelm: Pettauer Antiken
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https://doi.org/10.11588/diglit.12266#0028
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Primigenia in Präneste24) und die dort gefundenen Terracotten bestätigen
diese Angabe.25) Gelingt es uns hier, den erhaltenen Darstellungen einen
bestimmten Namen zu geben, so fehlt uns zwar ein sicher beglaubigter
Name für die Göttin eines Heiligthumes, das wenig nördlich von der
Kirche S. Maria a Capua vetere im Fondo Paturelli aufgedeckt worden
ist, aber auch hier kann über ihr Wesen kein Zweifel sein.26) Hunderte
von Tuffstatuen und noch viel zahlreichere Terracotten hat dieser be-
rühmte Fundort seit 1845 geliefert, von denen namentlich die ersteren
in mannigfachen Varianten denselben Typus wiederholen: eine thronende
Frau, oft verschleiert, manchmal mit dem Modius auf dem Haupte, hält
in ihrem Schoosse von ein bis zwölf Kinder, meist eingewickelt, sehr
selten nackt, während die Nacktheit der Kinder bei den Pränestinischen
Terracotten die Regel ist. Meist ist ihr Gesicht geradeaus gerichtet,
seltener neigt es sich zu den Pfleglingen herab, die, wenn nur ein Kind
vorhanden ist, an der Brust trinken. Eine Göttin der Mütterlichkeit
und des Kindersegens, kurz eine KoopoTpötpos oder, um den lateinischen
Namen einzusetzen, eine Nutrix, ist deutlich zu erkennen. Ob sie einen
Bezug zu dem nahen Gräberfelde von Capua gehabt hat, als eine Göttin,
die Leben gibt und nimmt, muss zweifelhaft bleiben: jedenfalls sind die
Kinder in ihrem Schoosse oder an ihrer Brust wirkliche Kinder, nicht,
wie von Duhn annahm, Seelen Verstorbener. Eine einzige der hier
gefundenen Statuen, 50 cm hoch, ist aus Marmor gebildet: stehend, in
Ärmelchiton und Mantel, trägt sie das Kind in den Armen, zu dem sie
leicht den Kopf hinwendet. Man hat in dieser Statue im Gegensatze
zu den zahlreichen Votiven die Tempelstatue erkennen wollen, sicherer
ist, dass die schöne Statue im Museo Chiaramonti des Vaticans n. 241,
früher meist auf Hera mit Ares an der Brust gedeutet, ein Cultbild ist,
das ein griechischer Künstler etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. für den
Tempel einer mit der eben besprochenen wesensgleichen Göttin ge-
arbeitet hat.27)

2i) Cic. de div. II 41, 85: — Jovis pueri, qtti \lactens] cum Junone Fortnnae in
greinio sedens (et) mammam adpetens castissime colitur a matribus.

!5) E. Gerhard Ant. Denkm. Taf. III 2. Stephani a. a. 0. W. Heibig bull,
d. inst. 1866 S. 65.

2C) v. Wilamowitz bull. 1873 S. 145 ff. v. Duhn bull. 1876 S. 150 ff. 1878
S. 13 ff. E. Fernique rev. arch. 1876 (II) S. 110 ff. J. Beloeh Campanien (1879)
S. 353 ff., jetzt auch Usener S. 128. Abbildungen von 3 Tuffstatuen: P. Girard
rev. arch. 1876 (II) Taf. XV S. 112 ff. — Ähnliche Funde aus Chiusi: Gerhard
Ges. ak. Abh. II Taf. 36, 1. 49, 4.5, vgl. S. 552. v. Duhn bull. 1876 S. 182 bemerkt,
dass sie an anderen Orten Etruriens nicht vorkommen.

27) Oft abgebildet, zuletzt bei J. Overbeck Kunstmythologie Zeus Taf. IV 11
S. 333 f. Vgl. W. Heibig Führer durch die üffentl. Samml. class. Alt. in Rom n. 78
S. 46. Furtwängler a. a. 0. Anm. 15.
 
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