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Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn — 19.1896

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Szántó, Emil: Zu den Tetralogien des Antiphon
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https://doi.org/10.11588/diglit.12266#0083
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gemacht werden. Die Aufklärer, welche an Stelle der Gesetzesschablone
die Eruierung der wahren Ursache zu setzen strebten, wurden dabei
vollkommener als die Juristen dem religiösen Empfinden gerecht, welches
die Befleckung erst für gesühnt ansah, wenn der wirkliche Urheber
Sühne geleistet hatte. Diese Rechtsphilosophen konnten daher am ehesten
den Satz aussprechen, dass ebenso gerechte wie ungerechte Tödtung
verboten sei, wenn sie auch gewiss nicht für jeden Fall der Tödtung
gleiche Strafe annehmen wollten. Ja. da gerechte Tödtung — SutäUoe
äitoxtetvstv — nichts anderes bedeuten kann, als straflose Tödtung, so
ist ein solcher Satz überhaupt nur im Gegensatze gegen ein bestehendes
Gesetz, welches einzelne Arten der Tödtung für straflos erklärt, denk-
bar und kann schon deshalb nie in einem wirklichen Gesetze bestanden
haben.

Wenn also Antiphon wiederholt von einem solchen Gesetze Ge-
brauch macht, welches die gerechte Tödtung verbietet, so hat er damit
nur den Standpunkt jener Rechtsphilosophen vertreten, die in erster
Linie den causalen Urheber des Todes eruiert wissen wollten.

Gehen wir daraufhin die drei Fälle durch. Am einfachsten liegt
die Sache beim beabsichtigten Mord. Hier fallen die beiden Begriffe
von aYtto? zusammen. Wer die Schuld hat. ist auch die Ursache. Wenn
also Antiphon in der ersten Tetralogie einen Fall von Ixoöotoc <p6vo?
durchführen und den Hauptaccent auf die Frage nach dem Mörder legen
wollte, so durfte dieser nicht von vorneherein bekannt sein. Er fingiert
also den Fall so, dass ein Mann mit seinem Diener erschlagen aufge-
funden wurde und der Kläger einen Jndicienbeweis — der daher nur
ein Wahrscheinlichkeitsbeweis sein kann — gegen den Angeschuldigten
ftlhrt. Dieser vertheidigt sich erstens dadurch, dass er darauf hinweist,
ein Wahrscheinlichkeitsbeweis sei noch kein Wahrheitsbeweis, und
zweitens dadurch, dass er auch die Wahrscheinlichkeit bestreitet. Die
Vorführung dieses Falles hat also nur den Zweck, in dialektischer Gegen-
überstellung von Klage und Verteidigung zu zeigen, wie bei unbe-
kanntem Thäter der Indicienbeweis zu führen und wie ihm zu wider-
sprechen sei.

Gomplieierter ist der Fall in der zweiten Tetralogie. Hier handelt
es sich um einen tp6vos axoöoio;. Da hier die Absieht zu tödten aus-
geschlossen ist, so fällt der Urheber nicht notwendiger Weise mit dem
— eulpösen — Schuldigen zusammen, und wenn nach der Bechtsan-
schauung, die Antiphon vertritt, auch schon der blosse Urheber zur
Verantwortung zu ziehen ist. so braucht dessen culpa noch nicht er-
wiesen zu sein. Es ist bereits von vielen Seiten darauf hingewiesen
worden, dass der hier behandelte Rechtslall nach Plutarch Berikles 36
 
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