Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Habicht, Victor Curt: Aufgaben der Forschung über die deutschen Bauhütten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
weitere Belege für die Notwendigkeit der Er-
forschung dieser Tatsachen bzw. Voraussetzun-
gen beizubringen.

Gleich die erste Frage, die nach der Entstehung
der Bauhütten, ist in keiner Weise geklärt; die
nachschlagbaren Bemühungen darum sind ent-
weder unbewiesene Behauptungen oder ge-
flissentliches (vorsichtiges) Übersehen der be-
stehenden Widersprüche und Schwierigkeiten.
Es mag genügen, sich den Niederschlag dieser
eingebürgerten, aber unbewiesenen Behaup-
tungen etwas genauer anzusehen. So sagt ein
neuerer Bearbeiter: F. Durach1) wörtlich zu
diesem Fragenkomplex folgendes: „Die Ur-
sprünge der Gemeinschaft sind vom 8. Jahr-
hundert ab in den Mönchsgemeinschaften zu
suchen. Mönche bauten ursprünglich unter Hin-
zuziehung von Laienbrüdern. Und aus diesen
Gemeinschaften gingen dann die Hütten hervor.
Es läßt sich nun nicht genau feststellen, wann
diese Überleitung in die freie Laienbrüderschaft
vollzogen wurde. Es ist anzunehmen, daß sie
sich allmählich vollzogen hat. Einen gewissen
Hinweis für die Datierung gibt das Auftreten
der Steinmetzzeichen. Denn die Mönche brach-
ten keine Zeichen an."

Gerade in dem letzteren, dem einzigen „ge-
wissen" Punkte widerspricht aber O. Winkel-
müller2), der den Nachweis erbracht hat, daß
die Ordensleute auch Steinmetzzeichen verwen-
det haben (und verwenden mußten).

Dagegen irrt Winkelmüller, wenn er meint, daß
das Auftreten von Laienbaumeistern als „Be-
weis" für das Bestehen von Bauhütten (Stein-
metzbrüderschaften) angesehen werden könne.
Jedenfalls stimmt es nicht, wenn er sagt: „Von
1133 an sind uns in Deutschland die ersten Laien
al3 Baumeister auch an Kirchenbauten be-
kannt . . ." (dagegen: u. a. Magister Odo an der
Pfalzkapelle in Aachen, der unbekannte, aber
bezeugte Leiter des Dombaus unter Bischof
Meinwerk von Paderborn, Richolfus in Bam-
berg usw.).

Aber ebenso unbeweisbar und offensichtlich
falsch ist die Behauptung, die die Laienbrüder-
schaften (bzw. Hütten) aus einer ununter-
brochenen Tradition mit den römischen Orga-

') Vgl. F. Durach, Das Verhältnis der mittelalterlichen
Bauhütten zur Geometrie (Stuttgarter Diss.), Stuttgart
1928, 'S. 49,

2) Vgl. O. Winkelmüller, Steinmetz- und Meisterzeichen
(Hannov. Diss.). Hannover o. J. (1926?)'.

nisationen ableiten will1). Wie in vielen ähn-
lichen Fällen des Mittelalters sind die Tatsachen
fraglos vielgliedriger, als ein vorgefaßtes
Schema wahr haben will. Durchaus nötige Fest-
stellungen hätten sich offenbar in folgenden
Richtungen zu bewegen. Auch wenn die Beant-
wortung der Frage, ob bei den im 7. und 8. Jahr-
hundert erwähnten Bautrupps eine kontinuier-
liche Verbindung mit den angeblichen altrömi-
schen2) Bauhütten und den angeblich nachfol-
genden altchristlichen3) besteht, zunächst zu-
rückgestellt werden kann, müßten alle Nach-
richten über diese Bautrupps einmal kritisch
geprüft, zusammengestellt und eventuell ergänzt
werden. Jedenfalls ist die Basis zu schmal, die
auf Grund des edictua Rotliari allein behauptet:
„Hier werden die Anfänge der Steinmetzbruder-
schaften liegen"4). Überdies schließt die
Lückenhaftigkeit des Materials vorerst weitere
Schlüsse solcher Art doch aus. Denn die im
edictua Rathari (7. Jahrhundert) genannten
magistri Comacini5) lassen sich kaum in Ver-
bindung bringen mit den von Bischof Benedict
aus Frankreich angeforderten Werkleuten6) und
schon gar nicht mit den graeci operari, die
Bischof Meinwerk nach Paderborn kommen
ließ7). Vielleicht hat Heyne recht, wenn er
meint, daß „anfangs nur von fremd her ver-
schriebene Bauleute" bei uns gearbeitet haben.
Doch das müßte eben erst einmal festgestellt
werden. Im übrigen widerspricht Heyne selbst
seiner These (von der Herleitung der Stein-
metzbrüderschaften aus diesen Bautrupps), in-
dem er einmal behauptet, „wir kennen in der
karolingischen und nachkarolingischen Zeit nur
geistliche Baumeister, selbst für Profanbauten",
und indem er ferner großen Wert auf die
klösterliche Schulung legt. (Wörtlich: „Das
Kloster sorgt für die berufliche Ausbildung der
Leiter solcher Steinbauten nach römischer Über-
lieferung und nach dem Lehrbuche des Vitru-
vius und derjenige, der nach jenen Vorschriften

') Vgl. z. B. C. P. Discher, Die deutschen Bauhütten im
Mittelalter und ihre Geheimnisse, Wien 1932.

2) Vgl. Discher, a. a. 0., S. 10 ff.

3) Vgl. Discher, a. a. O., S. 11 ff.

4) Vgl. M. Heyne, Das altdeutsche Handwerk, Straßburg
1908.

5) Vgl. G. Merzario, I Maestri Comacini, Mailand 1893.

6) Erwähnt in Pevsner, a. a. O., S. 107.

7) Vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler V. Bd. Berlin 1928, S. 412.

82
 
Annotationen