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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 4
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Nonn, Konrad: Kunst und Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0143

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KUNST UND KUNSTWISSENSCHAFT

Von Konrad Nonn, Berlin

Kunst und Wissenschaft sind zwei Kultur-
gebiete, die zwar immer vereint genannt werden,
sie stellen aber geistige Bewegungen des Men-
schen auf weit voneinander getrennten Gebieten
dar, Bewegungen, die außerdem mit verschie-
denen geistigen Mitteln ausgeübt werden: Das
Symbol, dessen Kultivierung der Kunst obliegt,
ist für die Wissenschaft ein so gut wie unbrauch-
bares, gedankliches Hilfsmittel; die objektive
Beobachtung aber und die wissenschaftliche Er-
kenntnis bilden nur zum Teil die Fundamente
künstlerischen Schaffens; dieses Arbeitsgebiet
liegt mit seinem Schwerpunkt in den Zonen des
ichumschlossenen Subjektivismus und in den für
die Wissenschaft unerreichbaren Gebieten der
Metaphysik. Kunst und Wissenschaft arbeiten
also innerhalb des Gebietes der Logik mit anders-
artigen gedanklichen Mitteln.

Es gibt wohl auch eine Wissenschaft über die
Künste; sie hat sich bis vor wenigen Jahrzehn-
ten jedoch in der Hauptsache auf die Geschichts-
schreibung über die Kunst und auf die Beschrei-
bung des Geschaffenen beschränkt. Erst lang-
sam entwickelt sich ein Wissenszweig, der in die
innere Gesetzmäßigkeit künstlerischen Schaf-
fens eindringen will. Mit dem Lapidarsatz
Dürers: „Kunst steckt wahrhaftig in der Natur,
wer sie heraus kann reißen, der hat sie", be-
gnügt sich heute weder mehr der schaffende
Künstler noch der Kunstästhetiker; und zwi-
schen den Lagern der Schaffenden und der
Theoretiker wogt der Streit um die Grundgesetze
des künstlerischen Schaffens noch um soviel hef-
tiger, weil der Kompetenzstreit hinzugetreten
ist, wer denn berechtigt sei, den Wortführer
für die bildenden Künste zu spielen, und ob
überhaupt das Wort im Reiche künstlerischer
Taten eine gleiche Berechtigung habe, wie in
den Wissenschaften.

Diesen Streit haben nun in letzter Zeit keines-
wegs einige Künstler zugunsten ihrer Kunst
noch auch zur Klärung der strittigen Fragen
gewonnen, indem sie ihre eigenen Werke stän-
dig durch wörtliche Erklärungen und ästhetisch-
philosophische Problemstellungen begleiteten;
vielmehr stoßen wir in dieser Richtung häufig auf
Werke, deren mangelnde Allgemeinverständlich-
keit durch einen sonderbaren Begleittext keines-

wegs ausgeglichen wurde. Aber auch die reinen
Ästhetiker sind noch fern von der Lösung. Hier
hat sich sogar ein besonderes expressionistisches
Lager gebildet, welches die ausübenden Künste
maßgebend und lehrhaft-führend beeinflussen
will. Für die Philosophie ist hieraus noch recht
wenig Nutzen entsprungen, da die Verfasser sol-
cher Theorien sich als Basis für ihre Darlegun-
gen häufig erst besondere eigene Denkgrund-
lagen schufen, die aber sowohl von den bisheri-
gen Errungenschaften der Philosophie abwichen,
als auch sich in Widerspruch mit den unanfecht-
baren Tatsachenergebnissen der exakten Wissen-
schaften befanden. Verfasser hat in einem Auf-
satze über „Methoden der Kunstbetrachtung und
Erfahrungswissen" im Jahre 1926 in der Zeit-
schrift „Der Kunstwanderer" einige später be-
achtete Beispiele solcher Abweichungen ein-
gehend besprochen und dabei den Unwert sol-
cher Betrachtungen für Wissenschaft und Kunst
dargelegt. Tatsächlich wird durch diese litera-
risch-theoretischen Beeinflussungsversuche auch
für die Kunst selbst kein Gewinn erzielt, weil
der Theoretiker durch abstrakte Begriffstellun-
gen allein die nun einmal in konkrete Grenzen
verwiesenen schaffenden Künste praktisch nicht
beeinflussen kann. Dazu gehört außerdem die
Berufung auf Beispiele. Solche Berufungen aber
führten dann häufig nur zu einer den vorgeführ-
ten Theoriebeispielen angepaßten mehr fabrik-
mäßig hergestellten, nachahmenden Tendenz-
kunst. Wir erlebten dadurch die sonderbare
Zeiterscheinung, daß grade diejenige Künstler-
gruppe, die sich mit fast hysterischer Energie
gegen jeden historischen Elektrizismus wen-
det, einer Nachahmerei innerhalb der eige-
nen modernen Bewegung selber huldigt, die
nicht nur an Stehlen grenzt, sondern schon zu
richtigen Fälscherproduktionen geführt hat; un-
ter dem Namen verstorbener Künstler wurde
eine stillschweigende und heimliche Fortsetzung
von deren Produktion in Szene gesetzt, die so-
gar zu Museumsankäufen dieser scheinbar ver-
lorengegangenen Werke führte. Eine solche Pro-
duktion war nur denkbar, weil unter dem
dogmatischen Einflüsse der Kunsttheoretiker
die äußere, immer leicht nachzuahmende Allüre
in höherem Kurse stand als der eigentliche

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