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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 2
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Hofmann, Theobald: Antiquarische Betrachtungen: ein Mahnwort für unsere Zeit
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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 2

IV. städtisches Krankenhaus in Berlin. Berliner Kunstausstellung 1901. Architekt: Stadtbaurat Ludwig Hoffmann in Berlin.
Hauptgebäude.


Antiquarische Betrachtungen.
Ein Mahnwort für unsere Zeit
von
Theobald Hofmann.


ein Land der Welt birgt so viel gute Kunst in ununter-
brochener Kette der Entwicklung wie Italien mit
Sizilien. Selbst an Werken griechischer Zeit, griechi-
schen Geistes und Einflusses sind sie reich und

die Wirkung gerade dieser baulichen Reste ist überwältigend.
Die Kraft der Baumassen, gehoben und geadelt durch Cur-
vaturen, den Schwung der Linien aller Bauteile und durch
die Verhältnisse in sich, lassen sich jetzt an alten griechi-
schen Tempeln noch weit vertiefter, eindrucksvoller geniessen, da
diese nicht mehr in der ehemaligen Farbenpracht auf uns wirken.
Wer die Ruinen zu Pästum, zu Girgenti und Segesta, das
Trümmermeer von Selinunt einmal geschaut, wird sich von
ihnen immer wieder angezogen fühlen —, ja die jetzige Schmuck-
losigkeit dieser Reste zeigt uns weit besser die Klarheit der
Formen, den hohen Adel, die Erhabenheit feierlicher Grund-
stimmung, — bei aller Bescheidenheit räumlicher Ausdehnung!
Die unvergleichliche Wirkung zwingt zur Bewunderung für
die Grösse und stolze machtvolle Einfachheit hellenischer Bau-
kunst. Die Schätze der Museen zu Palermo und Neapel
ergänzen dann noch unsere Vorstellung von den monumentalen
Schmuckgebilden der Alten an Wandgemälden, Mosaiken und
Skulpturen, selbst noch für den geringen Profanbau. Dazu
kommt noch die gesamte kunstgewerbliche Welt in der Unzahl
prächtiger Stücke an Haus- und Küchen-, Spiel- und Kriegs-
gerät. Steigt nicht ferner in uns bei Nennung des Namens
Pompeji sofort ein Bild der wiederaufgedeckten Stätte antik-
römischer Kultur am Golfe von Neapel auf: ein geschlossenes
Stück alter baulicher Welt, der wir so oft nachgeforscht, die wir
so lieb gewonnen haben, weil sie uns nur hier allein als ein-
heitliches Ganze vor Augen tritt. Wer kennt nicht C. Weichardts
Idealbilder Pompejis vor der Zerstörung? Und wenn auch
dieses alte Landstädtchen solch hohen Adel der Architektur
in Wirklichkeit nicht zeigte, so war doch die es umgebende
Natur zu alter Zeit um so köstlicher! Die Wälder und Haine

der Höhenzüge sind nun verschwunden, nur das Grün des
gesegneten wasserreichen Sarnusthales unter der warmen Sonne
Campaniens ist verblieben, das tagsüber auch im heissen
Sommer von einem leichten Seewinde gekühlt ist. Wen immer
dann im Abendschein die scharfgezeichneten Sorrentiner und
Salerner Gebirge in ihren neutralen Tinten grüssten und
wer den Rauchsäulen des ehrwürdigen Vesuvius in Musse-
stunden nachzusinnen wusste, wer dem ewigen Glanze des
Golfes, vom Cap Misen bis Sorrent, von der Höhe folgen
konnte — recht oft , der wird sich dem über jene Stätte

ausgegossenen Reize nicht haben entziehen können. Und
wer dann nicht nur einige Male von den Führern durch die
Strassen der alten Stadt gehetzt wurde, sondern auch das Glück
hatte, im alljährlichen Giro auf wissenschaftlicher Wanderung
unter der kundigen Führung von Professor Mau vom deutschen
archäologischen Institut zu Rom in alle die Einzelheiten dieser
Welt sich zu vertiefen, der wird in antiquarischer und künst-
lerischer Hinsicht dem baulichen Zauber in seiner Unmittelbarkeit
unendlich Vieles abzuringen vermocht haben. Vor allem sind es
die Grundrissgestaltungen, die bei aller Kleinheit der einzelnen
Räume in ihrer Vielseitigkeit der Anordnung gefangen nehmen.
Als Ganzes gefasst bilden sie ebenso wie der alte Stadtplan
Roms mit seinen unzähligen Monumentalbauten, nur in viel
bescheidenerer Weise, geradezu eine Fundgrube akademisch
vollendeter Lösungen. Weiter ist es der innere Ausbau, der
Interesse erweckt. AI Fresco gemalte Wände, Mosaik-Fuss-
böden, Marmortische, Brunnen und Wasserbecken in Atrien
und an Säulengängen erfreuen unser Auge. Besonders auch
das Gegenständliche der Wandbilder in den Haupträumen der
Häuser lässt uns Einblicke thun in die Ideenwelt der Alten.
Hier spiegelt sich der Glanz und die Frische, die freudige Lust
eines glühenden Lebens. Wer empfand hier nicht den Zu-
sammenklang, die harmonische Vereinigung des Baulichen mit
den Werken aller bildenden Künste, besonders mit denen der
Malerei! Unaufhörlich nagen jetzt Licht und Sonne sie hin-
weg — unwiederbringlich. Doch soll uns die Farbenstimmung
einiger der besten Teile noch gerettet werden. Zu einer
Ehrung für A. Mau anlässlich seines 60. Geburtstages ward eine
zur Festhaltung dieser Schätze bestimmte Sammlung veranstaltet,
deren Ergebnis die Erreichung des Zieles in Aussicht stellt.
Wieder ein andres Bild gewährt das alte Latium am Tiber-
lauf, jetzt die Campagna di Roma zwischen dem Saume des
Meeres und den malerischen Höhen der Albaner und Sabiner
Berge. Der vulkanische rötlichbraune Tuff verschärft noch den
heutigen Eindruck der Oede, den diese Ebene mit ihrem zer-
rissenen, Malaria hauchenden Boden macht. Die Trümmer
alter Wasserleitungen, die wie Skelette eines vorweltlichen
Ungeheuers in der römischen Sonne bleichen, die Gräberruinen
der Via Appia, der Königin aller Strassen in alter Zeit, sprechen
von der Verödung und Verwüstung einer ehemals reich-
angebauten Gegend, und noch mehr die „ewige Stadt“ selbst,
die alte Roma, mit ihren gigantischen Resten als Zeugen
verlorener Grösse! Der jahrhundertelang gepflogene Raubbau
an den Riesenbauten der alten Welthauptstadt hat sie stark

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